Fokus Bahn NRW im Gespräch mit Carsten Löcker, SPD

Der regionale Zubringerbahnhof Erftstadt nach dessen Aufwertung im Rahmen des Konzeptes Zukunftsbahnhöfe (ZKB). Foto am 06. März 2024.

Programm

08. Mai 2024

„Dem Grunde nach muss die Bahn eine Bürgerbahn sein.“

Eine Bürgerbahn, eine einheitlich Tarifstruktur, mehr Mobilstationen und erfolgreiches Ridepooling: Carsten Löcker, ÖPNV-Experte der SPD in NRW, hat klare Vorstellungen, wie die Verkehrswende gelingen kann.


Wie wird die öffentliche Mobilität zukunftssicher? Carsten Löcker, Mitglied des Landtags NRW und ausgewiesener Experte für ÖPNV-Fragen in der SPD-Fraktion, weiß um die Herausforderungen, die Verkehrsunternehmen und ihre Mitarbeitenden auf dem Weg zur Verkehrswende meistern müssen. Als gelernter Berufskraftfahrer war er über 25 Jahre in verschiedenen Positionen bei der Vestischen Straßenbahnen GmbH aktiv, u.a. als gewählter Betriebsrat. Im Interview mit Fokus Bahn NRW blickt Carsten Löcker kritisch auf Angebotskürzungen im SPNV und Qualifizierungsanforderungen im Ausschreibungswettbewerb.


Engpässe in der Schienen-Infrastruktur und der Personalmangel bei den Lokführer/innen bringen für Fahrgäste und Mitarbeitende im SPNV NRW tagtäglich große Belastungen mit sich. Wie beurteilen Sie die Lage und die derzeitige Reduzierung des Leistungsangebots?


Carsten Löcker: Diese Strategie ist der Versuch, die negativen Folgewirkungen abzufangen. Das ist keine Vorwärtsstrategie, die uns dauerhaft und verlässlich der Verkehrswende näherbringt. Der Versuch, mit weniger Fahrleistungen mehr Fahrplanstabilität zu erlangen, bleibt meiner Meinung nach ein Missverständnis.


Das Bild zeigt Carsten Löcker, den verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW. Quote

Das Ziel einer Landes-Nahverkehrsplanung muss es sein, sowohl die Infrastruktur als auch den Personalbedarf sicherzustellen – und das so lange es eben dauert.

Carsten Löcker

Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag NRW


Die Deutsche Bahn hat soeben ihre Infrastrukturaktivitäten in die Gesellschaft Infra Go überführt. Wie zielgerecht ist eine Steuerung der Gesellschaft nach Gemeinnützigkeitskriterien? Wird der Fahrgast davon profitieren? 


Carsten Löcker: Ich halte das für gut, denn dem Grunde nach muss die Bahn eine Bürgerbahn sein und schon deswegen Gemeinnützigkeitskriterien genügen. Die Deutsche Bahn ist Daseinsvorsorge und davon profitiert der Fahrgast. 


Der Nahverkehr in NRW setzt nicht allein auf die Schiene, sondern auf eine sinnvolle Vernetzung. Sollte das Modell der Mobilstationen weiter ausgerollt werden?


Carsten Löcker: Ja sicher! Mobilstationen sind die Grundvoraussetzung, um Ridepooling erfolgreich zu machen. Nur so kann die Verkehrswende gelingen.


 Im NRW-Nahverkehr gibt es jetzt zwei Tarifanker: das Deutschlandticket als Flatrate für Abonnent/innen und den eTarif eezy.rw für Gelegenheitskund/innen. Wie sehen Sie die Chancen, zu Tarifen mit landesweit einheitlicher Gültigkeit zu kommen? 


Carsten Löcker: Das ist der richtige Weg hin zu einer landesweit einheitlichen Tarifstruktur. Allerdings muss die Frage nach der dahinter liegenden Anforderungs- und Einnahmestruktur der Verkehrsverbünde auskömmlich geklärt werden.


 Fokus Bahn NRW beruht auf dem Grundprinzip des Wettbewerbs in der Ausschreibungsphase und jenseits dieser Phase der Zusammenarbeit im Sinne der Fahrgäste und des Systems Schiene? Wie beurteilen Sie das Modell und wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen für uns? 


Carsten Löcker: Ein ungehinderter Ausschreibungswettbewerb garantiert noch keine Qualität im Angebot und in der Zuverlässigkeit. Deswegen müssen im Sinne der Fahrgäste und des Systems Schiene die Qualifizierungsanforderungen im Ausschreibungswettbewerb nachgeschärft werden. Das heißt auch, dass bereits vergebene Leistungen im Falle ungenügender Leistungserbringung ganz im Sinne der Fahrgäste und des Systems Schiene kurzfristig und niederschwellig durch das Land Nordrhein-Westfalen nachgebessert werden können.


Fokus Bahn NRW im Gespräch

In einer neuen Interviewreihe erörtert Fokus Bahn NRW mit politischen Expert/innen aktuelle Fragen zur Entwicklung der öffentlichen Mobilität. Carsten Löcker ist der dritte Gesprächspartner. Er folgt auf Christof Rasche (FDP NRW) und Ina Besche-Krastl (DIE GRÜNEN).