Perspektiven für den SPNV in der Coronakrise
Programm
11. Februar 2021
Busse und Bahnen gelten nach wie vor als Träger der Verkehrswende. Diese Annahme bestätigt auch eine Umfrage durch das Institut für Verkehrspsychologie an der TU Dresden, die bereits am 20. März 2020 gestartet wurde. Knapp 60 Prozent der befragten ÖPNV-Nutzer, die aktuell ein anderes Verkehrsmittel nutzen, geben an, nach der Krise wieder Bus und Bahn nutzen zu wollen.
Verkehrspolitik nach der Pandemie: Krisenresilienz für den ÖPNV
Damit die Verkehrswende nach der Pandemie wieder an Fahrt gewinnt, muss das Vertrauen der Fahrgäste in einen sicheren Nahverkehr nachhaltig gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund gibt die Studie „Folgerungen für die zukünftige Verkehrspolitik nach den Erfahrungen und dem Umgang mit der Covid-19-Pandemie“ Empfehlungen für eine langfristige Krisenresilienz im ÖPNV. Das Gutachten wurde durch den wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur im November 2020 vorgestellt und beantwortet Fragen nach den langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf den gesamten Verkehrssektor. Kurzfristig empfiehlt der Beirat Studien zu möglichen Infektionswegen im ÖPNV sowie Investitionen in innovative Schutzmaßnahmen und -materialien für einen infektionssicheren Betrieb. Verkehrsunternehmen und Kommunen müssten zudem klären, wie sich mit geringer Fahrgastzahl über einen längeren Zeitraum das gewünschte Grundangebot aufrechterhalten lässt.
Verkehrswende: Aufgehoben oder aufgeschoben?
Das Beratungsunternehmen civity Management Consultants hat sich mit der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie und deren Konsequenzen für den ÖPNV befasst. Der Diskussionsbeitrag „Verkehrswende: Aufgehoben oder aufgeschoben?“ entwickelt drei mögliche Szenarien für die Finanzierungsstruktur des ÖPNV nach der Krise. Im Fazit sehen die Berater für die Jahre 2022 / 2023 ein nicht nur Corona-bedingtes Finanzierungsdefizit. Ohne zusätzliche Finanzierungsmittel sei die Erhaltung des Bestandsangebots gefährdet.
Chancen zur Neuausrichtung des ÖPNV loten die Trendforscher der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW Research, in ihrer Studie „Der lange Weg zu nachhaltiger Mobilität – Rückenwind durch den Corona-Lockdown“ aus.“ Das Positionspapier zeigt Möglichkeiten zur Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung auf. Kommunen und öffentliche Verkehrsunternehmen sollten dabei unterstützt werden, zukunftsfähige Mobilitätskonzepte zu entwickeln und diese anschließend durch entsprechende Investitionen auch umzusetzen.
Schon vor der Coronakrise hat das Zukunftsbündnis Schiene, ein Zusammenschluss aus Politik und Branchenverbänden, eineinhalb Jahre lang über die Chancen des Deutschlandtakts und die Herausforderungen einer erfolgreichen Umsetzung beraten. Der im Mai 2020 vorgestellte Abschlussbericht beschreibt auf mehr als 80 Seiten die zentralen Handlungsfelder, insbesondere auch im Bereich der Infrastrukturplanung und -finanzierung. Weitere Themen sind Lärmschutz, Innovationsförderung und Fachkräfte. Die Ergebnisse waren grundlegend für die Fortschreibung des Masterplans Schienenverkehr im Juni 2020. Der Deutschlandtakt mit seinem Zielfahrplan bildet die Basis für den Neu- und Ausbau und die bestmögliche Nutzung der Schieneninfrastruktur. Auch das wäre ein zentraler Beitrag zur Verkehrswende.
Zum Abschlussbericht Zum Masterplan Schienenverkehr
Die Szenarienanalyse „Deutschland mobil 2030“ hat ebenfalls schon vor der Coronakrise Möglichkeiten gezeigt, wie die Umstellung auf eine moderne, bezahlbare und klimaschonende Mobilität in Deutschland gelingen kann. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte die im März 2018 vorgestellte Studie bei den Beratungsunternehmen PwC und Intraplan in Auftrag gegeben. Die Forderungen nach einer gesicherten Finanzierung des ÖPNV sind in der Coronakrise aktueller denn je. Die Verkehrswende könne nur durch eine Förderung ressourcenschonender und integrationsfähiger Verkehrsangebote gelingen.
Corona und der Öffentliche Verkehr aus Kundensicht
Eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) geht den Sorgen und Erwartungen von ÖPNV-Kunden in der Pandemie nach. Die vom 19. November bis zum 4. Dezember 2020 durchgeführte Erhebung weist Empfehlungen zu vertrauensbildenden Maßnahmen aus. Der vzbv fordert, den ÖPNV durch neue Ansätze wie Mindesterreichbarkeitsstandards oder unabhängige Qualitätstests langfristig zu stärken.
Mit der Studie „COVID-19 and Public Transport“ liegen bereits Erfahrungen, Verhaltensweisen und Wahrnehmungen von Kunden des Öffentlichen Verkehrs in den ersten Monaten der Corona-Pandemie vor. Die nicht repräsentative Online-Umfrage wurde vom Leibniz-Institut für Länderkunde gemeinsam mit internationalen Partnern in sechs europäischen Großstädten durchgeführt. Zwar konnte die Studie zum subjektiven Sicherheitsgefühl der Fahrgäste in Bezug auf das Infektionsrisiko keine abschließende Aussage treffen, aber eines ist sicher: Selbst Stammkunden, die in der Pandemie weiterhin öffentliche Verkehrsmittel nutzen, fühlen sich häufig unwohl. Hier werden die Verkehrsunternehmen Vertrauensarbeit leisten müssen.
Zur Studie des Leibniz-Instituts
Das ResearchLab for Urban Transport (ReLUT) an der Frankfurt University of Applied Sciences untersuchte für das Bundesland Hessen und für Gesamtdeutschland, welche möglichen Auswirkungen die Coronakrise auf die aktuelle und zukünftige Mobilität und Logistik hat. Die Erhebung erfolgte auf Basis existierender Daten, einer repräsentativen Umfrage sowie qualitativen Expert*innen-Interviews. Dabei wurden auch internationale Vergleichszahlen herangezogen. Ein wichtiges Ergebnis: Im internationalen Vergleich fällt der Einbruch der Nutzung des ÖV in Deutschland zwar relativ „mild“ aus. Dennoch ist es zu einem Vertrauensverlust gekommen.
Untersuchungen zu Infektionsrisiken im ÖPNV
Die Erhebungen der Fahrgastmeinungen zeigen: Auch nach der Pandemie werden Infektionsschutz und Sauberkeit ein wichtiges Handlungsfeld im ÖPNV bilden. Zu den Infektionsrisiken in Zügen gibt es inzwischen verschiedene nationale und internationale Untersuchungen. Danach besteht insbesondere in Zügen keine erhöhte Ansteckungsgefahr – vorausgesetzt die notwendige Hygiene ist gegeben. Die Verkehrsunternehmen sollten ihre Hygienemaßnahmen über die Pandemie hinaus beibehalten und damit langfristig das Vertrauen und das subjektive Sicherheitsgefühl ihrer Kunden stärken.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat im November 2020 über das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung eine vertiefende Untersuchung zu möglichen Ausbreitungswegen von Coronaviren im öffentlichen Personenverkehr (ÖPNV) gestartet. Ein Forscherteam, geleitet vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik, wird in Kürze mit Messungen in Bussen und Bahnen sowie an Bahnhöfen und Haltestellen beginnen.