RailCampus OWL: Forschung und Fachkräfte für die Mobilität der Zukunft

Eine Schiene in einer Zeitraffer-Aufnahme, die in den Sonnenuntergang führt.

Arbeitgeber

24. November 2021

Mit dem RailCampus OWL in Minden gewinnt die Bahnbranche in Nordrhein-Westfalen einen neuen, starken Partner. Im Gespräch mit Fokus Bahn NRW erörtern drei Initiator:innen des Projekts, wie wichtig die Vernetzung von Forschung, akademischer Ausbildung und Wirtschaft für die Mobilität der Zukunft ist.


Als Wissenschafts- und Bildungsstandort ist der RailCampus OWL in Minden ein bundesweit bislang einmaliges Projekt. Vier staatliche Hochschulen in Ostwestfalen-Lippe – die Fachhochschule und die Universität in Bielefeld, die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe sowie die Universität Paderborn – und namhafte Unternehmen wie Harting, Wago, DB Systemtechnik, DB Cargo und zukünftig weitere bündeln ihr bahn- und verkehrstechnisches Knowhow: für einen neuen, gemeinsamen Studiengang und für Forschungsprojekte zur Mobilität der Zukunft. Zu den Initiator:innen gehören Professor Dr. Stefan Witte, Vizepräsident für Forschung und Transfer der TH OWL, Professor Dr. Rolf Naumann, Dekan am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der Fachhochschule (FH) Bielefeld, und Professorin Dr. Ingeborg Schramm-Wölk, Präsidentin der Fachhochschule Bielefeld und Vorsitzende des Campus OWL. Im Fokus-Bahn-NRW-Interview geben sie Einblick in das Projekt und erörtern die Bedeutung von Forschung und Lehre für eine erfolgreiche Mobilitätswende.


Was wird der RailCampus OWL leisten?


Prof. Dr. Rolf Naumann: Mit dem RailCampus OWL entsteht ein neues Innovationsökosystem auf dem Gelände der DB Systemtechnik in Minden. Die vier beteiligten Hochschulen entwickeln gemeinsam mit Unternehmen aus Bahntechnik und Verkehrswirtschaft ein Innovationsnetzwerk und bilden Studierende für die Mobilitätswende aus. Dabei nutzen wir die hervorragende Infrastruktur in Minden. Hier befindet sich der größte Standort der DB Systemtechnik und auch DB Cargo hat Technologie- und Entwicklungsbereiche hier verankert. Schon der Standort ermöglicht uns einen Austausch zwischen Forschung, Lehre und Wirtschaft, den es für das System Bahn in dieser Form noch nicht gibt.


Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk: Die vier beteiligten Hochschulen arbeiten bereits im Hochschulverbund Campus OWL erfolgreich zusammen. Für den RailCampus OWL haben wir erstmals einen gemeinsamen Bachelor- und Masterstudiengang konzipiert, der Studierenden ein umfangreiches Wissen über die technologischen Anforderungen intelligenter Bahnsysteme vermittelt Darüber hinaus werden auch Forschungen für die Mobilität der Zukunft gemeinsam betrieben werden.


Prof. Dr. Stefan Witte: Das Bachelorstudium „Digitale Bahnsysteme“ und das Masterstudium „Intelligente Bahnsysteme“ stellen ein komplett neues Studienangebot dar, originär aus Ostwestfalen-Lippe und bisher einmalig in Deutschland. Wir überführen hier die erfolgreiche Idee des Technologie-Netzwerks it’s OWL in das System Bahn. Schon seit mehr als zehn Jahren bilden rund 180 Unternehmen, Hochschulen, wissenschaftliche Einrichtungen und Wirtschaftsorganisationen in unserer Region ein Cluster für Intelligente Technische Systeme. Wirtschaft und Forschung entwickeln gemeinsame Industrie 4.0-Lösungen. Dieses Knowhow wollen wir jetzt auch für einen zukunftsorientierten Ausbau des Systems Bahn und für die Mobilitätswende nutzen.


Was werden Studierende am RailCampus OWL lernen?


Prof. Dr. Rolf Naumann: Im Curriculum legen wir Schwerpunkte auf Schlüsselkompetenzen im Bereich von Ingenieurwissenschaften, Mechatronik und Informatik. Dazu gehören Themen wie das autonome und automatisierte Fahren auf der Schiene, intelligente Wartung und prädiktive Instandhaltung oder digitalisierte Logistik. Daneben steht gleichberechtigt der Zweig „Bahnkompetenz“. Denn wer innovative Mobilität gestalten will, muss das System Bahn mit seinen Regelwerken, Normen und langen Lebenszyklen kennen und verstehen. Dementsprechend unterrichten am RailCampus OWL Lehrkräfte der Hochschulen und Gastdozenten aus Bahntechnik und -Wirtschaft. Neben den Partnern der DB sind auch mittelständische Unternehmen wie Harting und Wago bereits dabei. Wichtig ist uns dabei aber immer der Blick über den Tellerrand und das Einbeziehen von Erkenntnissen aus nicht originären Bahnbereichen.


Was macht den RailCampus OWL für Studierende attraktiv?


Prof. Dr. Stefan Witte: Mit dem Studienangebot am RailCampus OWL begegnen wir dem Mindset junger Menschen. Mobilität und Klimaneutralität, digitale Transformation und Nachhaltigkeit, Automatisierung und Vernetzung – das sind attraktive Themen für Studienanfänger. Insbesondere dann, wenn sich diese mit der Perspektive auf einen spannenden und sicheren Arbeitsplatz verbinden. Das gilt umso mehr, da es bundesweit nur wenige Hochschulen mit einer Bahntradition bzw. entsprechenden Lehrstühlen gibt. Aachen, Dresden, Berlin und Stuttgart wären da sicher zu nennen. In Minden haben wir allerdings einzigartige Voraussetzungen für einen zukunftsweisenden RailCampus, der traditionelle Bahntechnik mit anderen wichtigen Technologien verbindet. Unsere Studierenden können dadurch aktiv die Mobilität der Zukunft mitgestalten.


Prof. Dr. Rolf Naumann: Das Studium am RailCampus OWL wird insbesondere durch den hohen Anteil der anwendungsorientierten Forschung für den Bahnbetrieb und nahtlose Mobilitätsketten attraktiv. Die Studierenden werden aktiv in Projekten mitarbeiten, Ideen einbringen und diese unmittelbar vor Ort erproben sowie auf Umsetzbarkeit hin prüfen.


Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk: Wie attraktiv das Studium am RailCampus OWL sein wird, zeigt jetzt schon die hohe Resonanz auf erste Einführungsveranstaltungen in das System Bahn. 50 Studierende aus allen vier Hochschulen haben sich für die beiden Vorlesungen und Seminare angemeldet und diese als Wahlmodul belegt.


Was macht den RailCampus für die Bahnbranche in NRW attraktiv?


Prof. Dr. Stefan Witte: Die Verkehrsunternehmen und auch die Hersteller von Bahntechnik brauchen eine gut vernetzte Forschung und gut ausgebildetes Personal mit Kompetenzen in den Bereichen Informatik, Data-Science und Systemtechnik sowie Knowhow im System Bahn. Denn ohne Fachkräfte sind Innovationen nicht umsetzbar und die Verkehrsunternehmen können ihre Kundenzahlen und transportierten Güter nicht erhöhen und die notwendigen Anpassungen an den Geschäftsmodellen nicht umsetzen. Am RailCampus OWL haben wir nun einen Studiengang entwickelt, der aktuelle und zukünftige Bedarfe der Bahnbranche im Blick hat und zukunftsfähig ausbildet. Als Standort für Forschung, Entwicklung, Erprobung und Bildung wird der RailCampus OWL das Bahnland Nordrhein-Westfalen sichtlich stärken und mit dem Bahnstandort Aachen ein spezialisiertes Bahncluster bilden.


Prof. Dr. Rolf Naumann: Hinter dem RailCampus OWL steht eine neue Idee von Forschung und Lehre für die Mobilität von morgen. Wir denken vom Kunden her und erschließen Synergien zwischen den Hochschulen, der Industrie und der Bahnbranche. Konzepte und Produkte zur Modernisierung und Digitalisierung des Bahnbetriebs können so schneller und besser umgesetzt werden. Die Idee des RailCampus OWL geht allerdings noch über die wissenschaftliche Forschung und die akademische Ausbildung hinaus. Langfristig wollen wir gemeinsam mit Bildungsträgern hier auch ein Zentrum für die berufliche Bildung verorten. Arbeitsinhalte und Qualifikationsanforderungen im System Bahn werden sich mit dem Fortschritt der Digitalisierung stark wandeln und da gilt es, auch die erfahrenen Mitarbeiter:innen mitzunehmen und ihnen Angst vor Veränderung zu nehmen.


Inwieweit entspricht die Forschung für das System Bahn der wachsenden Nachfrage nach multimodalen Mobilitätsangeboten?


Prof. Dr. Stefan Witte: Durch den Hochschulverbund und das Netzwerk it’s OWL haben wir am RailCampus OWL auch beste Voraussetzungen für eine Forschung, die über das System Bahn hinausblickt. Wir sind hervorragend vernetzt und können im Sinne einer multimodalen Forschung beispielsweise Ideen aus der Industrie 4.0 für das System Bahn und die Mobilität der Zukunft weiterentwickeln und erproben.


Prof. Dr. Rolf Naumann: Der RailCampus OWL wird Teil des Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft (DZM) sein. Das DZM mit Hauptsitz in München wird vier Satellitenstandorte in ganz Deutschland geben – das Wireless Innovation Competence Center in Hamburg, den Smart Rail Connectivity Campus in Annaberg-Buchholz, das Zentrum für autonomen ÖPNV zwischen Stadt und Land in Karlsruhe und eben den RailCampus in Minden. In intelligenter Zusammenarbeit können wir die Digitalisierung des Bahnsystems vorantreiben und in die Entwicklung multimodaler Mobilitätsangebote einbinden. Wir sehen das System Bahn als Rückgrat multimodaler Mobilität.


Ab wann können sich Interessierte für ein Studium am RailCampus OWL bewerben?


Prof. Dr. Ingeborg Schramm-Wölk: Der Bachelorstudiengang „Digitale Bahnsysteme“ startet zum Wintersemester 2022/2023. Bis zu 30 Interessierte können dann ihr Studium am RailCampus OWL in Minden aufnehmen. Im darauffolgenden Jahr startet der Masterstudiengang „Intelligente Bahnsysteme“, zu dem ebenfalls bis zu 30 Studierende zugelassen werden können. Auf der Website RailCampus OWL gibt es weitere Informationen zum Forschungsstandort und zum Bildungsangebot.