Regionalverkehr mit Zukunft

Eine junge Person mit medizinischer Maske steht an einem Bahnsteig, an dem ein roter Zug einfährt.

Programm

06. Juli 2022

Im Gespräch mit Andreas Schilling, DB Regio AG

„Wir wollen neue Fahrgäste für den ÖPNV begeistern“, beschreibt Andreas Schilling, Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio AG, seine Erwartungen an den Zielbildprozess von Fokus Bahn NRW.


Infrastruktur, Züge, Personal und Digitalisierung: Andreas Schilling, Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio AG, hat eine klare Strategie für einen starken SPNV als Rückgrat der Mobilitätswende. Im Zielbildprozess von Fokus Bahn NRW formuliert er darüber hinaus die Ansprüche an ein modernes und konkurrenzfähiges öffentliches Mobilitätsangebot.


DB Regio ist im SPNV Nordrhein-Westfalens nach wie vor Marktführer und arbeitet in der Brancheninitiative Fokus Bahn NRW mit neun Wettbewerbern eng zusammen. Wie gut funktioniert aus Ihrer Sicht der Wettbewerb auf der Schiene im bevölkerungsreichsten Bundesland?


Andreas Schilling: Der Wettbewerb funktioniert gut. Als Marktführerin übernimmt DB Regio Verantwortung für die Branche, wie wir in NRW nach der Insolvenz von Abellio bewiesen haben – hier arbeiten wir eingespielt zusammen. Wir treiben auch Innovationen voran, von denen die gesamte Nahverkehrsbranche profitiert. In NRW arbeiten wir derzeit gemeinsam mit dem Land an einem Projekt zur Messung der Echtzeit-Auslastung unserer Fahrzeuge und anschließender Anzeige in den digitalen Auskunftsmedien. Hierdurch steigern wir den Komfort für unsere Fahrgäste, zahlen positiv auf die Attraktivität des SPNV ein und bringen somit die Digitalisierung in NRW voran.


Die Beförderungsleistung im SPNV ist seit 1995 um rund 74 Prozent gestiegen, von gut 30 Milliarden auf fast 53 Milliarden Personenkilometer. Im Modal Split allerdings lag der SPNV in Deutschland nahezu immer bei 8,5 Prozent und fiel dann im Verlauf der Corona-Pandemie auf 6,1 Prozent zurück. Für das Jahr 2025 erwarten die Statistiker maximal 9,7 Prozent. Hat der SPNV noch Chancen in Sachen Verkehrswende?


Andreas Schilling: Fakt ist: Wer heute in den Nahverkehr wieder oder neu einsteigt, erlebt eine modernere, attraktivere Bahn als noch vor der Pandemie. DB Regio hat in den vergangenen zwei Jahren rund 1,5 Milliarden Euro allein in die Erneuerung der Fahrzeugflotte investiert. Weit über 700 neue und modernisierte Züge hat die DB deutschlandweit im Regionalverkehr während der Pandemie an die Fahrgäste gebracht. Mit den neuen und neu designten Zügen erhöht die DB die Kapazität, den Komfort und verbessert die Fahrgastinformation. Auch neue digitale Services wie das Zugportal machen den Nahverkehr noch attraktiver – für den Zeitraum des 9-Euro-Tickets und darüber hinaus.


Wo sehen Sie die größten Hürden bei der Umsetzung der Verkehrswende?


Andreas Schilling: Das 9-Euro-Ticket ist so attraktiv, weil es nicht nur unschlagbar günstig, sondern auch unschlagbar einfach ist. Im Regionalverkehr gibt es eine ungeheure Vielfalt mit sehr vielen unterschiedlichen regionalen Anbietern und Verbünden. Die DB und ihre Partner werden in der Branche weiter an Lösungen arbeiten, die für die Kundinnen und Kunden einfach zu handhaben sind. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, wie den gerade im letzten Jahr gemeinsam entwickelt und eingeführten Tarif „eezy.nrw“. Damit gibt es erstmalig einen verbundübergreifenden elektronischen Tarif für Bus und Bahn, bei dem Fahrten nur per App gebucht und per Luftlinienkilometer abgerechnet werden.


Portrait von Andreas Schilling, Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio A Quote

Die Mobilitätswende braucht eine gute, verlässliche Eisenbahn – aber Schienen können wir nicht überallhin legen.

Andreas Schilling

Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio AG

Berufspendlerinnen und -pendler leiden unter den steigenden Kosten der Arbeitsmobilität – und das vom Bund initiierte 9-Euro-Ticket wurde bereits vor dem 1. Juni fast sieben Millionen Mal verkauft. Ist der Hebel an den Ticketpreisen (angesichts einer ohnehin kritischen Finanzierung von Betrieb und Leistung) ein sinnvoller Beitrag zu einem Regionalverkehr mit Zukunft?


Andreas Schilling: Sowohl als auch. Die aktuellen Befragungsergebnisse zeigen, dass die Zufriedenheit derjenigen, die mit dem 9‐Euro‐Ticket den ÖPNV genutzt haben, insgesamt hoch ist. 89 Prozent dieser Fahrgäste gaben an, dass sie mit ihrer letzten Fahrt in Bussen und Bahnen vollkommen, sehr zufrieden oder zufrieden waren. Gleichzeitig muss das Angebot aber besser werden. Deshalb investiert die Deutsche Bahn im Rahmen der Strategie „Starke Schiene" Rekordsummen in Infrastruktur, Züge und Personal sowie Digitalisierung. Und wir sind auf einem guten Weg: DB Regio hält schon heute mit 22.000 Zugfahrten pro Tag 300.000-mal, um täglich über fünf Millionen Fahrgäste überall in Deutschland klimafreundlich ans Ziel zu bringen. Rund 10.000 Busse sorgen für gut eine Million Halte pro Tag und sichern vor allem im ländlichen Raum öffentliche Mobilität für Berufspendler/innen, Schüler/innen und Ausflügler. Über 1,5 Milliarden Fahrgäste hat DB Regio mit Zügen und Bussen im vergangenen Jahr 2021, das noch stark von der Pandemie gekennzeichnet war, deutschlandweit befördert.


Was muss passieren, damit der Regionalverkehr auf der Schiene zukunfts- und dem motorisierten Individualverkehr gegenüber auch konkurrenzfähig wird?


Andreas Schilling: Ein wichtiger Aspekt ist der Ausbau neuer Mobilitätsangebote. Die Mobilitätswende braucht eine gute, verlässliche Eisenbahn – aber Schienen können wir nicht überallhin legen. Deshalb wollen wir die Fläche mit dicht getakteten Bussen und bedarfsgerechten On-Demand-Angeboten anbinden. Diese ergänzen den bestehenden ÖPNV sinnvoll und bieten Menschen auf dem Land flexibel Anschluss an Bus- und Bahn-Linien. Nutzer/nnen können ihren Fahrtwunsch per App melden und werden individuell abgeholt und zum Wunschziel befördert. Damit schafft die DB für mehr Menschen dort Anschluss an Bus- und Bahn-Linien, wo er am dringendsten gebraucht wird. Flexible und digital vernetzte Mobilitätsangebote machen den ÖPNV genau hier attraktiv und verringern die Abhängigkeit vom Privatauto.


Gemeinsam bestmögliche Lösungen im Sinne der Fahrgäste zu entwickeln, ist das zentrale Commitment der Gemeinschaftsinitiative Fokus Bahn NRW. Welchen Rat geben Sie uns mit auf den Weg?


Andreas Schilling: Denken und handeln Sie mutig und „out of the box“.