CO2-Emissionen im Nahverkehr auf der Schiene

Klima
24. April 2025
„Wir machen sichtbar, dass der SPNV in den nächsten Jahren noch klimafreundlicher wird“
Damit der Schienenpersonennahverkehr sein Potenzial für den Klimaschutz voll entfalten kann, braucht es verlässliche Daten über den Ist-Zustand auf der Schiene. In Kürze werden erstmals die genauen CO2-Emissionen des SPNV NRW veröffentlicht. Wie die Klima-Forschenden des Wuppertal Instituts die Daten berechnen wollen, erklären sie im Interview.
Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) spielt eine zentrale Rolle bei der Verkehrswende in Nordrhein-Westfalen (NRW). Kein Verkehrsmittel für die Massenmobilität ist so klimafreundlich wie die Bahn. Doch um gezielte Maßnahmen zur Stärkung des Umstiegs auf die Schiene zu ergreifen, sind fundierte Informationen über die Klimawirkungen des Systems erforderlich. Bisher fehlten jedoch genaue Daten über den CO2-Ausstoß des SPNV.
Mit der SPNV-Klimabilanz NRW wird nun ein Meilenstein für die klimaneutrale Mobilität auf der Schiene gesetzt. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie (WI) wird für das Jahr 2023 die tatsächlichen CO2-Emissionen des SPNV in NRW ermitteln. Veröffentlicht werden die Ergebnisse im Mai 2025.
Die Methodik ist in Deutschland bislang einzigartig und schafft eine belastbare Datengrundlage, die erstmals die Klimapotenziale des SPNVs sichtbar macht, sind sich die Forschenden des WI, Thorsten Koska und Ulrich Jansen, sicher. Im Interview mit Fokus Bahn NRW erklären sie, warum diese Daten eine gezielte Weiterentwicklung der klimafreundlichen Mobilität ermöglichen.

Mit dem CO2-Fußabdruck ist es möglich, die Klimavorteile des Nahverkehrs auf der Schiene gegenüber dem Auto darzustellen. Das kann dabei helfen, Menschen bei klimafreundlichen Mobilitätsentscheidungen zu unterstützen.
Thorsten Koska
Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut
Bisher wurden viele Daten, die wir für die Berechnung verwendet haben, nicht zentral für ganz NRW erhoben.
Ulrich Jansen
Researcher am Wuppertal Institut

Der Nahverkehr gilt als ein Schlüsselfaktor bei der Verkehrswende. Er produziert aber auch selbst klimaschädliche Treibhausgase. Warum ist es wichtig, diese zu ermitteln?
Thorsten Koska: Die Klimabilanz gibt uns die Möglichkeit, die Klimawirkung der verschiedenen Verkehrsmittel zu vergleichen. Hier sieht man, dass der SPNV wesentlich klimaschonender ist als etwa der Pkw-Verkehr – und auch, welchen Klimavorteil elektrisch angetriebene Züge gegenüber Dieselantrieben haben. Zudem können wir damit sichtbar machen, dass der SPNV in den nächsten Jahren mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und der weiteren Elektrifizierung von Zügen noch klimafreundlicher wird. Das alles hilft dabei, Politik und Öffentlichkeit zu informieren. Nachdem der SPNV durch das Zielnetz 2040 in den Fokus gerückt ist, besteht nun auch ein Interesse daran, den Beitrag der Schiene zum Klimaschutz zu betrachten.
Warum ist es für die Verkehrswende wichtig, den CO2-Fußabdruck der Schiene genau zu kennen?
Thorsten Koska: Mit dem CO2-Fußabdruck ist es möglich, die Klimavorteile des Nahverkehrs auf der Schiene gegenüber dem Auto darzustellen. Das kann dabei helfen, die Menschen bei klimafreundlichen Mobilitätsentscheidungen zu unterstützen. Außerdem unterstützt es die Politik bei der Weiterentwicklung einer Strategie zum Klimaschutz im Verkehr. Bis 2045 müssen die Emissionen im Verkehr auf Null reduziert werden. Auf dem weiten Weg dahin spielt eine Stärkung des Schienenverkehrs eine wichtige Rolle.
Wie haben Sie die SPNV-Klimabilanz NRW erstellt?
Thorsten Koska: Basis unserer Bilanzierung sind die Kilometer, die die Züge auf den einzelnen Linien in NRW im Jahr 2023 zurückgelegt haben, sowie der Strom und der Dieselkraftstoff, den die Züge je Kilometer verbraucht haben. Daraus konnten wir berechnen, wieviel Strom und Diesel in 2023 insgesamt verbraucht wurden, um das SPNV-Angebot auf sämtlichen NRW-Linien zu erbringen. Und für diese Strom- und Dieselmengen haben wird berechnet, welche Mengen CO2 bei der Erzeugung des Stroms und der Verbrennung des Diesels entstanden sind.
Was waren Herausforderungen, mit denen Sie bei Ihren Berechnungen umgehen mussten?
Ulrich Jansen: Bisher wurden viele Daten, die wir für die Berechnung verwendet haben, nicht zentral für ganz NRW erhoben. Um die Klimabilanz zu berechnen, waren wir also auf Daten einzelner Eisenbahnverkehrsunternehmen angewiesen. Die Verkehrsunternehmen waren sehr kooperativ und haben uns die Informationen zur Verfügung gestellt, die wir für unsere Berechnungen brauchten. Das war nicht selbstverständlich, da die Daten Betriebsgeheimnisse beinhalten, die wir durch das Zusammenführen mit anderen Daten unkenntlich gemacht haben.
Im SPNV NRW fahren über 100 Zuglinien: Sie verkehren auf Strecken unterschiedlicher Topographie, werden von verschiedenen Loks bzw. Triebfahrzeugen gefahren. Wie haben Sie trotzdem einen CO2-Wert für jede einzelne Verbindung berechnen können?
Ulrich Jansen: Um die Verbräuche und CO2-Emisisonen für jede Zuglinie mit dem jeweils eingesetzten Fahrzeugtyp einzeln zu berechnen, fehlten uns notwendige Daten, deren Beschaffung sehr aufwändig gewesen wäre. Wir haben die Zuglinien daher in Gruppen ähnlicher Fahrzeugtypen und Charakteristik des Linienverlaufs unterteilt. Denn neben dem Zugtyp und dessen Antrieb ist es für den Verbrauch der Fahrzeuge auch wichtig zu wissen, in welcher Region diese eingesetzt werden, ob etwa im flachen Münsterland, entlang der Rheinschiene oder in Gebieten mit Steigungen wie in der Eifel oder im Bergischen Land. Für jede dieser Gruppen konnten wir dank der Unterstützung der Eisenbahnunternehmen den durchschnittlichen Verbrauch vom Strom und Diesel je Kilometer, den die Züge zurücklegen, abschätzen. Somit konnten wir letztlich auch den Gesamtverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen aller Linien im gesamten Jahr 2023 abschätzen.
Die Klimabilanz auf dem SPNV-Klimaboard NRW
Nach Abschluss der Berechnungen wird die Klimabilanz auf dem SNPV-Klimaboard NRW veröffentlicht. Neben den Daten zum CO2-Ausstoß auf der Schiene werden die Forschenden zudem die Potenziale des SPNV mit Blick auf das Zielnetz 2040 erörtern und Handlungsempfehlungen für die Politik und Verkehrsbranche ableiten.
Zum SPNV-Klimaboard NRWUnsere Interviepartner
Thorsten Koska
Thorsten Koska ist Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der kommunalen Verkehrspolitik und -planung sowie auf Instrumenten nachhaltiger Verkehrspolitik.
Ulrich Jansen
Ulrich Jansen ist als Researcher am Wuppertal Institut tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind kommunale und regionale Klimaschutzkonzepte, betriebliches und kommunales Mobilitätsmanagement sowie Klimaschutzpotenziale von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr.