Arriva Nederland wird Partner bei Fokus Bahn NRW

Programm
08. Mai 2025
„Grenzüberschreitende SPNV-Verkehre sind eine besondere Herausforderung“
Für Fahrgäste im Aachener Grenzland ist Arriva Nederland eine bekannte Größe. Das niederländische Verkehrsunternehmen betreibt dort nicht nur den Dreiländerzug, die Regionalbahnlinie RE 18 von Lüttich via Maastricht nach Aachen, sondern auch grenzüberschreitende Busverkehre. Jetzt schließt sich Arriva Nederland der Brancheninitiative Fokus Bahn NRW an. Julia Quitmann, Koordinatorin für internationales Verkehrsvertragsmanagement und -weiterentwicklung bei Arriva Nederland in der Provinz Limburg, beschreibt im Interview ihre Erwartungen an die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit.
ÖPNV und SPNV stehen deutschlandweit vor Herausforderungen. Eine störanfällige Infrastruktur, massive Baumaßnahmen und der Personalmangel belasten die Verkehrsunternehmen, ihre Mitarbeitenden und ihre Fahrgäste. Wie stellt sich diese Situation für ein international agierendes Unternehmen wie Arriva dar?
Quitmann: Die Herausforderungen sind für uns noch größer als für ausschließlich national operierende Unternehmen. Der grenzüberschreitende Verkehr stellt erhöhte Anforderungen an das Personal. Das fängt bei der länderspezifischen Systemtechnik an und hört bei der Sprache auf. Während in der Luftfahrt Englisch die allgemeine Verkehrssprache ist, müssen Mitarbeitende im grenzüberschreitenden Schienenverkehr selbst auf kurzen Strecken eine Zusatzausbildung und ein Zertifikat in der jeweils anderen Landessprache, bei uns also in Deutsch oder Niederländisch, haben. Auch für das interne Personal sind Sprachkenntnisse und Kulturverständnis zentral, um in beiden ÖPNV-Welten zurecht zu kommen.
Störungsanfällig ist neben dem überbelasteten Schienenkorridor zwischen Aachen und Heerlen zum Beispiel auch die Systemwechselstelle, die notwendig ist, damit die elektrischen Triebzüge sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden fahren können.
Darüber hinaus spüren wir sehr deutlich die Baumaßnahmen an anderen grenzüberschreitenden Strecken, derzeit insbesondere am Korridor Emmerich – Oberhausen. Güterzüge werden so umgeleitet, dass es auch auf unserer Strecke zu Kapazitätsengpässen und Zugausfällen kommt. Zudem erwarten wir 2026 und 2027 massive Bauarbeiten für den Abriss und Neubau einer Brücke in Aachen-Richterich.
Zum Glück konnten wir in den vergangenen Jahren unser Leistungsangebot ausbauen und mussten nichts kürzen. Aber für einen stabilen Betrieb über die Grenze hinweg brauchen wir qualifizierte Mitarbeitende, zuverlässige Fahrzeuge und ein leistungsfähiges Schienennetz.
Julia Quitmann
Koordinatorin für internationales Verkehrsvertragsmanagement und -weiterentwicklung bei Arriva Nederland

Was verbindet Arriva Nederland mit dem Engagement bei Fokus Bahn NRW?
Quitmann: Wir sind zwar das einzige niederländische Verkehrsunternehmen, das Regionalverkehr nach Deutschland betreibt, aber andere Eisenbahnverkehrsunternehmen stehen bei grenzüberschreitenden Linien vor vergleichbaren Herausforderungen – und da können wir spezifisches Wissen zum Thema Betrieb im grenzüberschreitenden Kontext einbringen. Fokus Bahn NRW ist für uns die richtige Plattform für den Erfahrungsaustausch. In nicht allzu ferner Zukunft zum Beispiel übernimmt start den Betrieb der Linie RE 13, die dann über den Grenzbahnhof Venlo hinaus nach Eindhoven verlängert wird und genauso wie unsere Linie RE 18 in beiden Ländern eine Binnenfunktion im Verkehr übernimmt.
Außerdem möchten wir die spannende Zusatzausbildung, die Lokführerinnen und Lokführer für den grenzüberschreitenden Verkehr brauchen, in der Bahnbranche bekannter machen. Das ist eine tolle Chance, sich weiterzubilden. Lokführerinnen und Lokführer lernen, Mehrsystemfahrzeuge zu fahren, und dazu noch eine neue Sprache, die auch im privaten Alltag neue Perspektiven bietet. Wir arbeiten da schon eng mit DB Regio NRW zusammen; jetzt setzen wir zusätzlich noch auf das Netzwerk von Fokus Bahn NRW und das unternehmensübergreifende Engagement bei Personalgewinnung und Qualifizierung..
Arriva Nederland betreibt zahlreiche Bus- und Bahnverkehre in den Niederlanden. Deutsche Fahrgäste verbinden unser Nachbarland mit einem vorbildlichen Nahverkehrsangebot. Was könnten wir in NRW an Ideen übernehmen?
Quitmann: Im Rahmen unserer Konzession in der Provinz Limburg haben wir als Verkehrsunternehmen vergleichsweise viel Spielraum zur Gestaltung. Es gilt nicht nur, die Züge verkehren zu lassen und eine hohe Betriebsqualität zu bieten. Wir können uns als Unternehmen mit unseren Ideen aktiv einbringen, um das Angebot weiterzuentwickeln. Das motiviert.
Persönlich finde ich, dass NRW und Deutschland von der mutigen Entscheidung der Niederländer zur Einführung der OV-Chipkaart viel lernen können. Ein einfaches, bargeldloses Ticketing erleichtert nicht nur den Fahrgästen die Nutzung, sondern bietet auch den Verkehrsunternehmen viele Vorteile, zum Beispiel erhöht es die Sicherheit für das Personal im Fahrbetrieb. Noch wichtiger aber sind die Daten, die das Ticketsystem für die Verbesserung des Angebots erschließt. Die Verkehrsunternehmen können transparent sehen, wie viele Reisende und zu welchen Zeiten Busse und Bahnen nutzen. Es ist schon ein bisschen schade, dass wir diese Daten in unserem Dreiländerzug (RE 18) von deutscher Seite her nicht vollständig haben, weil dort auch deutsche Tickets und Papiertickets gültig sind.
Zudem setzen die Niederländer stark auf das Thema Park+Ride. An den meisten Bahnhöfen gibt es ausreichend Parkmöglichkeiten, damit Menschen aus ländlicheren Gegenden bequem mit dem Zug weiter in die Zentren fahren können.
Arriva: ein internationales Verkehrsunternehmen
Historie
Das Verkehrsunternehmen Arriva, in Großbritannien gegründet, wurde im März 2010 von der Deutschen Bahn übernommen. Dreizehn Jahre später trennte sich die DB von ihrer Auslandstochter und veräußerte sie an den US-Infrastruktur-Investor I Squared Capital. Der Vertrag über den Verkauf wurde im Oktober 2023 unterzeichnet und im Juni 2024 abgeschlossen.
Arriva Nederland
In den Niederlanden ist Arriva ein wichtiges Verkehrsunternehmen und betreibt Bus- sowie Bahnlinien in 9 der 12 Provinzen. In Limburg hat das Unternehmen 2016 den gesamten Busverkehr übernommen und auch die grenzüberschreitenden Bus- und Bahnlinien nach Deutschland. Der Dreiländerzug RE 18 ist 2019 zunächst als Zweiländerzug zwischen Aachen und Maastricht gestartet und wurde im Juni 2024 bis nach Lüttich in Belgien verlängert. Im SPNV in NRW hält Arriva Nederland einen Marktanteil von 0,3 Prozent.
Kooperationen
Für die Regionalexpressbahnlinie RE 18 hat Arriva Nederland einen Verkehrsvertrag mit go.Rheinland, außerdem ist Arriva Mitglied im Aachener Verkehrsverbund. Durch die Teilnahme bei Fokus Bahn NRW bindet sich Arriva Nederland als ein in Nordrhein-Westfalen operierendes Verkehrsunternehmen auch in die Arbeitgeberkampagne „Die Bahnen in NRW“ ein. Schon heute kooperiert das Unternehmen mit DB Regio NRW bei der Zusatzausbildung von Lokführerinnen und Lokführern für den grenzüberschreitenden Verkehr. Zudem wird Arriva zukünftig im Rahmen der ab Dezember 2026 durch die Regionalverkehre Start Deutschland GmbH betriebenen RE 13 auf niederländischem Gebiet unterstützen. Die RE 13 wird dann ab Hamm über den Grenzbahnhof Venlo hinaus nach Eindhoven verlängert werden.