Künstliche Intelligenz im Recruiting
Arbeitgeber
06. November 2024
„Da wird sich schnell hinter Paragrafen und Datenschutz versteckt“
Künstliche Intelligenz (KI) kommt in immer mehr Lebenssituationen zum Einsatz: auf dem Smartphone, bei Fotografie und Bildbearbeitung oder in der Sprachenlern-App, auf dem Heim-Computer als Rechtschreibhilfe oder als Rechercheinstrument für die nächste Urlaubsreise. Auch auf den Büroetagen hält KI Einzug. Dort dient sie aktuell oftmals in der Content-Erstellung beim Employer-Branding, im Kundenkontakt mithilfe von Chatbots oder im E-Learning bei Fort- und Weiterbildungen. Doch wie sieht es im Recruiting aus? Bisher ist die Anwendung von KI da noch eine Ausnahme. Das haben verschiedene Befragungen ergeben. So hat der Software- und Weiterbildungsanbieter Haufe herausgefunden, dass viele Personaler/innen bisher keine oder kaum Anwendungserfahrungen mit KI haben, sich aber fast jeder zweite Studienteilnehmende (44 Prozent) vorstellen kann, mit KI-Tools zu arbeiten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Umfrage der Jobsuchmaschine Stepstone, in der zwei Drittel der Befragten davon ausgehen, dass KI zukünftig den Zeitraum bis zur Einstellung verkürzen und manuelle Aufgaben für Recruiter/innen reduzieren kann.
Im Recruitingbereich werden also große Hoffnungen in das Thema KI gesetzt – noch bleiben die konkreten Umsetzungen aber aus. Warum ist das so? Robindro Ullah hat mit seinem Unternehmen ebenfalls Umfragen in Personalabteilungen durchgeführt. Als HR TEC-Experte berät er Firmen im Recruiting und kennt die Hürden, die sich bei der Anwendung von KI ergeben. Im Gespräch mit Fokus Bahn NRW erklärt er, warum Zögern bei diesem Thema zu einem Problem für die Branche werden könnte.
Immer mehr Menschen nutzen KI-Tools für verschiedenste Anwendungen. Wie sieht es bei den Unternehmen aus?
Robindro Ullah: Die Rückmeldungen und Beispiele, die uns zugespielt werden, richten sich sehr häufig auf das Personalmarketing oder zielen auf die Generierung von Stellenanzeigen ab. Das heißt, viele fokussieren sich auf den sprachlichen Aspekt von KI zur Erstellung von – im weitesten Sinne – Content. Eine weitere Form sind Chatbots, die ebenfalls zunehmend häufiger auftauchen und beispielsweise Bewerbungstipps abdecken. In Summe muss man aber sagen, dass die Nutzung noch sehr verhalten ist.
Warum ist das so?
Robindro Ullah: Meiner Meinung nach wird sich schnell hinter Paragrafen und Datenschutz versteckt. Natürlich sind diese Themen wichtig, aber eine bereits veröffentlichte Stellenanzeige mit der Hilfe von KI zu überarbeiten, sollte in der Regel möglich sein.
Warum sollten Unternehmen die Scheu vor KI ablegen?
Robindro Ullah: Wir haben das Phänomen, dass Individuen in der Nutzung moderner Technologien häufig sehr viel weiter sind als Unternehmen. Während im privaten Umfeld Kochrezepte, Terminplanung und Reisebuchung bereits mit KI durchgeführt werden, werden im Business teilweise Bremsen bei KI-Themen eingelegt. Natürlich ist es nicht ganz ungefährlich, aber auch eine Aufklärung findet nach unseren Umfragen in nur wenigen Unternehmen statt. Beispielsweise geben lediglich 11,5 Prozent der nicht akademischen Fachkräfte an, dass ihr Arbeitgeber in diesem Bereich Weiterbildungen anbietet (Trendence HR Monitor 2024).
Durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im privaten Umfeld entstehen Erwartungen.
Robindro Ullah
KI-Experte
Während im Job also Wissen nicht vermittelt wird, wird im Privaten fleißig ausprobiert.
Robindro Ullah: Genau! Durch die Nutzung im privaten Umfeld entstehen Erwartungen. So erwarten Bewerber/innen in Deutschland, dass Arbeitgeber KI in diversen Schritten des Bewerbungsprozesses einsetzen. Dabei geht es vor allem um die Prozessschritte am Anfang – Stellenmatching, Terminfindung oder Rückantworten. Bewerber/innen sehen hier eine echte Chance, Zeit zu sparen, um diese Zeit im zweiten Teil des Prozesses zu nutzen: dem Kennenlernen.
Die Bahnunternehmen suchen händeringend nach neuen Fachkräften. Wie kann KI beim Recruiting und insbesondere bei der Suche nach geeigneten Kandidat/innen, die aus anderen Branchen kommen, helfen?
Robindro Ullah: KI kann beispielsweise wie im Tool „Recruitingkompass“ Stellenanzeigen in Skills übersetzen, um automatisiert feststellen zu können, welche anderen Berufe die höchste Skillüberschneidung haben, um diese als erste anzusprechen. Gehen wir in den Bereich der Stellenanzeigen, kann KI auch binnen Sekunden Stellenanzeigen in alternative Tonalitäten übersetzen. Möchte ich eine bestimmte andere Zielgruppe ansprechen, kann ich die Formulierungen der Stellenanzeige auf die entsprechende Zielgruppe maßschneidern lassen.
Es ist das eine, Berufsgruppen mit KI-Unterstützung zu finden. Danach müssen aus dieser Gruppe auch noch Wechselwillige ermittelt und mit möglichst passenden Angeboten angelockt werden. Wie kann KI dabei unterstützen?
Robindro Ullah: Perspektivisch kann hier KI natürlich in der Datenanalyse helfen. So haben wir beispielsweise Daten zur Wechselwilligkeit unheimlich vieler Zielgruppen in Deutschland vorrätig. Mithilfe von KI lassen sich gegebenenfalls Muster erkennen und ableiten, die in der Ansprache helfen. Was haben die Wechselwilligen gemeinsam? Existieren Zusammenhänge?
Beim Recruiting mit KI steht die Bahnbranche noch am Anfang. In welchen Branchen gelingt das schon und was können Personaler/innen aus dem SPNV dort lernen?
Robindro Ullah: Wir haben keinen Überblick über die branchenweite Nutzung von KI im Recruiting. Aber durch unsere Kund/innen und die Best Case Events, die wir jährlich durchführen, sehen wir, dass es vor allem Konzerne oder agile moderne kleinere Unternehmen sind – wie beispielsweise Tec-Start-Ups. Letztlich muss man ganz klar sagen, dass die Einführung von KI im Unternehmen auch im Recruiting ein echter Change Prozess ist. Hier müssen Mitarbeitende gut begleitet werden.
Zur Person:
Robindro Ullah ist den Personalverantwortlichen der Nahverkehrsbahnen in NRW bereits von der KarriereSchiene, dem Recruiting-Event der Bahnen in NRW, bekannt. Dort hat er bereits als externer Speaker die Möglichkeiten von KI im HR-Bereich erläutert.