Lokführer Max W. zieht Bilanz: „9-Euro-Ticket war gutes Signal.“

Ein junger Mann mit Rucksack steht an einem Bahnsteig vor einem Fahrkartenautomaten und drückt auf einen Knopf.

Fahrgast

12. Oktober 2022

52 Millionen verkaufte Tickets bundesweit, Streckenauslastungen an Wochenenden von über 200 Prozent: Das 9-Euro-Ticket hat in ganz Deutschland zahlreiche Menschen zum Einstieg in Busse und Bahnen bewegt, auch in NRW.


Von den Mitarbeitenden der Verkehrsbranche forderte die enorme Nachfrage nicht nur logistische Lösungen, sondern auch vollen Einsatz. Max W. ist seit dreieinhalb Jahren Lokführer bei der eurobahn und zieht im Gespräch mit Fokus Bahn NRW sein Fazit zur Aktion.


Welche Bilanz ziehen Sie persönlich aus dem 9-Euro-Ticket?


Max W.: Das 9-Euro-Ticket war an sich ein guter Impuls. Es sollte eine schnelle finanzielle Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger schaffen und dieses Ziel konnte erreicht werden. Es waren drei sehr intensive und sehr anstrengende Monate, das ist klar. Aber ich glaube trotzdem, dass die Aktion ein gutes Signal gegeben hat. Viele Menschen möchten klimafreundlich unterwegs sein, wenn das Angebot stimmt. Das Ticket hat eine enorme Aufmerksamkeit erzeugt: Durch die Debatte sind die Handlungsfelder, an denen sich noch viel tun muss, sichtbarer denn je.


Kaum eine Aktion wurde deutschlandweit so schnell umgesetzt wie das 9-Euro-Ticket. Wie haben Sie die Situation erlebt?


Max W.: Mit der Entscheidung aus der Politik kamen natürlich enorme logistische Herausforderungen auf die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger zu: Wie viele Fahrzeuge stehen uns zur Verfügung? Welche Auslastung wird erwartet? Wie stellen wir sicher, dass wir mit unseren vorhandenen Mitteln unser Bestmögliches geben können? Die vielen kleinen Rädchen, die im Hintergrund an einer sehr komplexen Kette arbeiten, bekommt man von außen oft nicht mit. Und diese standen bei dem Fahrgastandrang natürlich unter Hochspannung. Wir haben die Nachfrage auf jeden Fall gespürt: Die meist beanspruchten Linien der eurobahn waren neben der RE 3 und der RE 13 auch die RB 69 und RB 59. An den Wochenenden hatten wir hier teilweise eine Auslastung von bis zu 200 Prozent. Im Vergleich zum Mai stiegen allein im ersten Aktionsmonat fast 750.000 zusätzliche Fahrgäste ein.


Portrait von Lokführer Max W. Quote

Das Ticket hat eine enorme Aufmerksamkeit erzeugt: Durch die Debatte sind die Handlungsfelder, an denen sich noch viel tun muss, sichtbarer denn je.

Max W.

Lokführer bei der eurobahn

Dass die 9-Euro-Ticket-Aktion so umgesetzt werden konnte, ist vor allem dem Einsatz der Bahner/innen zu verdanken. Sicher war der Arbeitsalltag nicht immer stressfrei?


Max W.: Wenn die Fahrgäste dicht gedrängt am Gleis stehen, kann der Puls schon einmal etwas höherschlagen. Die Sicherheit geht vor, das ist ab Tag eins der Ausbildung die goldene Regel – und natürlich fordert dies enorme Konzentration. Wenn so viele Menschen gleichzeitig in einen Zug ein- und aussteigen wollen, kann das zudem zu Verzögerungen und zu Unmut bei den Fahrgästen führen. Die drei Monate waren sicher nicht immer einfach, aber wir haben als Team zusammengearbeitet und uns gegenseitig unterstützt. Dass in der Bahnfamilie ein starkes Miteinander gelebt wird, zeigt sich gerade in diesen fordernden Situationen. Anders als in anderen Branchen sind Überstunden und Sonderschichten zudem tariflich geregelt. Betriebsrat und Arbeitgeber behalten im Blick, dass der entsprechende Ausgleich eingehalten wird. In meinem alten Beruf war das nicht immer so selbstverständlich. Und eins hat sich in meinem Berufsalltag auf jeden Fall gezeigt: Auch wenn nicht immer alles glatt gelaufen ist, waren die Fahrgäste wirklich sehr freundlich und verständnisvoll und haben uns alle sehr positiv überrascht.


Das 9-Euro-Ticket wird von vielen als "Signal des Aufbruchs" gesehen. Glauben Sie, dass ein vergleichsweise günstiges Ticket langfristig mehr Menschen zum Umstieg bewegt?


Max W.: Ich verstehe, dass die Preisdebatte gerade in der Bevölkerung immer wieder ein Thema ist. Für mich ist der Ticketpreis unabhängig von der Qualität des SPNVs oder meiner Arbeit zu betrachten. Klimafreundliche Mobilität sollte für alle Menschen bezahlbar und zugänglich sein und durch finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern trotzdem in einer guten Qualität sichergestellt werden. Mir ist klar, dass das nicht von heute auf morgen passieren kann – aber nur wenn das Bus- und Bahnfahren attraktiv und bezahlbar ist, kommen wir näher zur Verkehrswende.