Aufgabenträger auf der Suche nach Stabilität

Das Bild zeigt einen Zug des SPNV-Unternehmens Eurobahn, der am Bahnhof Dortmund vorbeifährt.

Zukunft Wettbewerb

30. April 2024

Der NWL will das Zugangebot in Westfalen-Lippe dauerhaft stabilisieren.

Wegen Personalmangel hat die Eurobahn in Westfalen-Lippe vorübergehend bis zu den Sommerferien zahlreiche Verbindungen eingestellt. Der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) verstärkt nun sein Risikomanagement, um das Leistungsangebot für die Fahrgäste möglichst schnell wieder auf den bekannten und zuverlässigen Stand zu bekommen.


Der NWL hatte am 29. April die politischen Entscheidungsträger im Verbandsgebiet zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, um über mögliche Wege aus der aktuellen Eurobahn-Situation zu beraten. Denn das Unternehmen steht vor besonderen wirtschaftlichen Herausforderungen, seit sich der französische Mutterkonzern Keolis zum Jahresende 2021 aus dem SPNV-Markt in NRW zurückgezogen und die Eurobahn an einen Sanierungstreuhänder veräußert hat. Zwar hatte Keolis zur Erfüllung laufender Vertragsverpflichtungen im Dezember 2021 noch eine Kapital-Einlageverpflichtung von 135 Millionen Euro geleistet, doch fand sich bislang kein neuer Gesellschafter. Denn die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Betrieb von SPNV-Leistungen werden deutschlandweit insgesamt schwieriger.

Joachim Künzel, Geschäftsführer des Nahverkehrs Westfalen-Lippe, ist Programmleiter von Fokus Bahn NRW. Quote

Unser Ziel ist es, den Fahrgästen wieder verlässliche und vollumfängliche Verkehrsleistungen anzubieten und gleichzeitig für die Mitarbeitenden der Eurobahn eine langfristige, sichere Perspektive zu schaffen.

Joachim Künzel

Geschäftsführer NWL und Programmleiter Fokus Bahn NRW


Inflation und Fachkräftemangel belasten Verkehrsunternehmen

Die allgemeine Verteuerung der Preise, etwa im Energiesektor, und der massive Personalmangel stellen derzeit alle Verkehrsunternehmen in ÖPNV und SPNV vor enorme Finanzierungsherausforderungen. Aufgrund fehlender Fachkräfte können insbesondere die vertraglich vereinbarten Leistungen auf der Schiene nicht mehr vollumfänglich erbracht werden. Dies wiederum hat unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen, denn nicht erbrachte Leistungen werden auch nicht vergütet und darüber hinaus fallen vertragliche Strafzahlungen an.

Eine Lupe durch die eine Person zu sehen ist.
Die Eurobahn

Mit einem Marktanteil von 13,4 Prozent ist die Eurobahn das drittgrößte Eisenbahnunternehmen im SPNV NRW und beschäftigt rund 900 Mitarbeitende. Zu ihrem Portfolio gehören 15 Linien in den vier Netzen Maas-Rhein-Lippe, Ostwestfalen-Lippe, Hellweg und Teutoburger Wald. Die meisten Verkehrsleistungen – 12,26 von insgesamt 17,2 Millionen Zugkilometern – erbringt die Eurobahn im Gebiet des Nahverkehrs Westfalen-Lippe. Hier hat sie sogar einen Marktanteil von über 30 Prozent und ist damit der größte Anbieter von SPNV-Leistungen.


Dauerhafte Leistungsausfälle im SPNV müssen vermieden werden

Nahezu zeitgleich mit dem Marktaustritt von Keolis zog sich zum Jahr 2022 auch die Nederlandse Spoorwegen als Muttergesellschaft von Abellio Rail NRW zurück – mit weitreichenden Folgen: Die damals zweitgrößte Nahverkehrsbahn in Nordrhein-Westfalen meldete Insolvenz an und für die SPNV-Linien mussten per Notvergabe neue Betreiber gefunden werden. Trotz eines gut organisierten Betreiberwechsels und erfolgreicher Neuvergaben haben die Aufgabenträger in Nordrhein-Westfalen jetzt Mehrkosten von vorläufig geschätzten 167 Millionen Euro zu tragen. Vor diesem Hintergrund gilt es, für die Eurobahn eine Lösung zu finden, mit der sich dauerhafte Leistungsausfälle und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen vermeiden lassen.

Verkehrsausschuss-Vorsitzender Matthias Goeken spricht beim Job Speed Dating in Paderborn Quote

Unsere gemeinsame Aufgabe und Verpflichtung ist es, rechtzeitig die beste Handlungsoption für die Fahrgäste, aber auch für die vielen Mitarbeitenden der Eurobahn zu suchen.

Matthias Goeken

Vorsitzender der NWL-Verbandsversammlung und Vorsitzender des Verkehrsausschusses im NRW-Landtag


Der SPNV-Markt braucht langfristige Perspektiven

 Der NWL begleitet die Entwicklungen rund um die Eurobahn in enger Abstimmung mit den zuständigen politischen Gremien und prüft nun – mit Unterstützung externer Wirtschaftsprüfer/innen und auf Vergaberecht spezialisierter Jurist/innen – verschiedene Handlungsoptionen inklusive einer eigenen Übernahme. Ziel ist es, die aktuellen Verkehrsverträge rechtskonform an die Preisentwicklungen anzupassen, das Unternehmen damit wirtschaftlich zu stabilisieren und langfristige Perspektiven für alle Akteure am SPNV-Markt zu schaffen. 

Fokus Zukunft Wettbewerb

Wie kann der SPNV NRW auch bei rasanten Marktveränderungen erfolgreich agieren? Wie können langfristige Verkehrsverträge reaktionsfähiger werden? Und wie können wir die Verkehrswende gestalten, wenn sich die Rahmenbedingungen ständig verändern? Diese Fragen bearbeiten die Akteure im Projekt „Fokus Zukunft Wettbewerb“ seit 2022. Zuvor hatte der NWL bereits im Projekt „Verkehrsvertrag 2.0“ vertragliche Anpassungen erarbeitet, um die Fortführung geschlossener Verkehrsverträge und die Erbringung vereinbarter Verkehrsleistungen langfristig zu sichern.

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