Im Gespräch mit Erdal Kartum, Dozent für Bahn-Sprachkurse
Arbeitgeber
07. Oktober 2025
„Wir öffnen den Teilnehmenden die Tür zur Bahnwelt“
Ohne Verständnis der Fachsprache kein Führerstand: Für viele Zugewanderte ist das Deutschlernen allein nicht genug, um sich eine berufliche Perspektiven Triebfahrzeugführer/in zu erarbeiten. In einem speziell entwickelten Fachsprachkurs lernen sie deshalb die wichtigsten Begriffe und wie das Bahnsystem funktioniert. Sprachdozent Erdal Kartum erörtert im Interview, wie er die Teilnehmenden fit für die Ausbildung macht und warum der Kurs weit mehr ist als ein Vokabeltraining.
Wir sind kein Kurs, in dem das allgemeine Deutsch verbessert wird, sondern einer, der die Bahnsprache vermittelt.
Erdal Kartum
Dozent für Eisenbahner-Fachsprache
Mit welchen Unterrichtsmaterialien bringen Sie Zugewanderten die Fachsprache der Bahnbranche näher?
Erdal Kartum: In erster Linie arbeiten wir mit unserem, eigens für den Fachsprachkurs entwickelten, Arbeitsbuch. Unterstützend dazu wird das Grundlagenbuch aus der Qualifizierung genutzt.
Die sind aber für Muttersprachler geschrieben…
Kartum: … wobei selbst diese manchmal über die zahlreichen Fachvokabeln stolpern. Für die Teilnehmenden der Fachsprachkurse sind die Unterrichtsmaterialien aber ideal: Schließlich sind wir kein Kurs, in dem das allgemeine Deutsch verbessert wird, sondern einer, der die Bahnsprache vermittelt.
Was ist der größte Unterschied zwischen einer Unterrichtsstunde im Fachsprachkurs für Zugewanderte und einer Unterrichtsstunde, die Sie mit Muttersprachlern machen?
Kartum: Am offensichtlichsten ist natürlich, dass wir uns nicht in Präsenz treffen, sondern rein digital miteinander lernen. Dadurch kann ich manche Dinge mit den Schüler/innen nicht umsetzen – zum Beispiel, wenn wir über Funkgeräte sprechen, diese auch tatsächlich mal in die Hand zu nehmen und auszuprobieren. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn all diese Inhalte werden die Teilnehmenden später noch einmal wiederholen, wenn sie nach dem Kurs in die reguläre Qualifikation einsteigen.
Warum haben Sie sich für die digitale Variante entschieden?
Kartum: Die Einstiegshürden sind dadurch niedriger. Wir können den Teilnehmenden jederzeit einen kurzfristigen Kursstart ermöglichen, weil sie vollkommen ortsunabhängig loslegen können.
Was genau machen Sie mit den Teilnehmenden?
Kartum: Wir haben zwei Hauptanliegen: Fachwörter erklären und die Teilnehmenden zum Sprechen bringen. Nur so bekommen sie Routine – und nur so können sie später im Qualifizierungskurs, aber auch im Führerstand, mit Selbstvertrauen ihre Arbeit machen. Also lesen wir die einzelnen Abschnitte zunächst gemeinsam laut vor. Ich frage: Was habt ihr nicht verstanden? Welche Wörter kennt ihr noch nicht? Die Teilnehmenden markieren diese Stellen, und ich achte darauf, dass wirklich jede und jeder einmal liest. Beim Vorlesen merke ich sehr schnell, wie gut das Textverständnis wirklich ist.
Was ist mit klassischem Vokabellernen?
Kartum: Das gibt es bei uns nicht. Einzelne Wörter helfen den Teilnehmenden nicht weiter. Um die Fachsprache zu verstehen, müssen sie das System Eisenbahn verstehen. Ein Beispiel: Wenn wir sagen „Punktförmige Zugbeeinflussung“, können sich nur die wenigsten etwas darunter vorstellen. Also erkläre ich den Gesamtkontext, dass es sich dabei um eine Art Überwachung von Zügen handelt. Ich erkläre, wie das mit dem Hauptsignal zusammenhängt und wann eine Zwangsbremsung ausgelöst wird.
Das ist auch der Grund, warum selbst Muttersprachler fragen, ob sie an einem Fachsprachkurs teilnehmen dürfen. Die Kurse sind wirklich eine gute Vorbereitung auf die Qualifizierung.
Erdal Kartum
Was bringt der Fachsprachkurs den Teilnehmenden ganz konkret?
Kartum: Wir sehen: Wer den Fachsprachkurs erfolgreich absolviert hat, kommt in der Regel auch gut durch die Qualifizierungsmaßnahme. Das liegt natürlich auch daran, dass wir mit dem Kurs gewissermaßen eine Vorauswahl treffen. Den Teilnehmenden wird klar, worauf sie sich einlassen. Sie wissen, was in der Qualifizierung von ihnen erwartet wird. Wer das nicht leisten möchte, steigt oft schon während des Fachsprachkurses aus.
Wie unterstützen Sie diejenigen, die am Anfang noch größere Probleme mit der Sprache oder der Thematik haben?
Kartum: Wir sehen natürlich, dass das Sprachniveau – trotz bereits vorhandener Zertifikate – nicht bei allen gleich ist. Deshalb gibt es bei uns einen ganzen Unterrichtstag pro Woche, an dem es fast ausschließlich ums Sprechen geht. Die Fortschritte, die die Teilnehmenden dabei in kurzer Zeit machen, sind wirklich enorm. Zusätzlich prüfen wir alle zwei Wochen den Wissensstand zur Fachsprache. Und in jeder Stunde gibt es kleinere Wiederholungen. Wenn jemand fachliche Defizite hat, empfehlen wir ergänzende Lehrmaterialien zur Nacharbeit.
Macht sich das auch in konkreten Zahlen bemerkbar?
Kartum: Von den mittlerweile über 300 Kursteilnehmenden haben die allermeisten die Qualifizierungsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen. Dass der Kurs wirklich etwas bringt, merken wir aber auch daran, dass sich ehemalige Schüler/innen nach ihrer Qualifizierung bei mir melden und sich überschwänglich bedanken. Der Fachsprachkurs hat ihnen – so sagen sie es immer wieder – die Tür zur Bahnwelt geöffnet.