Integration durch Qualifizierung in der Bahnbranche

Arbeitgeber
08. April 2025
„Der Lokführer-Beruf bietet eine Chance auf ein stabiles Leben“
Andrii Shumeiko und Oleksandr Isai blicken auf erfolgreiche Karrieren in der Ukraine zurück. Shumeiko, studierter Wirtschaftswissenschaftler, war viele Jahre lang Manager eines Fachbetriebs für Wasserversorgungs-, Filtrations-, Kanalisations- und Heizungssysteme. Isai schloss ein Masterstudium in Verkehrswesen ab und leitete die Filiale eines Solartechnik-Unternehmens. Jetzt werden die beiden Lokführer in Deutschland. Allerdings ist der Weg in die Bahnbranche selbst für hochqualifizierte Fachkräfte nicht einfach, beschreiben Shumeiko und Isai ihre Erfahrungen im Interview mit Fokus Bahn NRW: Mehr Unterstützung und gezielte Bildungsangebote würden die Erfolgschancen einer Qualifizierung und die Integration von Menschen aus anderen Ländern stärken.

Der Lokführer-Beruf gibt Sicherheit für mich und meine Familie – und Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Die Arbeit in der Bahnbranche gefällt mir sehr gut.
Andrii Shumeiko
Lokführer bei VIAS Rail
Die Lokführer-Qualifizierung verbindet meine Leidenschaft für Technik und Transport mit der Möglichkeit, mich in Deutschland zu integrieren und mir neue Perspektiven zu schaffen.
Oleksandr Isai
Angehender Lokführer bei VIAS Rail

Sie haben in der Ukraine eine hochqualifizierte Ausbildung absolviert. Was motiviert Sie, jetzt Lokführer in Deutschland zu werden?
Andrii Shumeiko: Ich habe einen Beruf gesucht, der mir und meiner Familie Sicherheit gibt und uns ein Leben in Deutschland ermöglicht. Diesen Beruf habe ich als Lokführer gefunden. Er bietet eine hohe Arbeitsplatzsicherheit und ein gutes Gehalt. Als Lokführer kann ich meine Familie selbst versorgen.
Oleksandr Isai: Ich wurde durch eine Präsentation von Fokus Bahn NRW auf die Lokführer-Qualifizierung aufmerksam. Nach einer persönlichen Beratung durch das Programmbüro war ich überzeugt, dass ich diesen Weg einschlagen möchte. Ich sehe das als Chance, etwas Neues zu lernen und in einem gefragten Bereich zu arbeiten.
Wie lange hat es von Ihrer ersten Bewerbung bis zum Beginn der Qualifizierung gedauert?
Oleksandr Isai: Von der ersten Bewerbung bis zum Qualifizierungsbeginn – das hat mehrere Monate gedauert. Meine größte Schwierigkeit war es, das Jobcenter in Sachen Förderung zu überzeugen. Denn dort war man der Meinung, dass ich mit meiner guten Ausbildung und meiner Berufserfahrung auch so eine Arbeit finden könnte. Ich habe nicht aufgegeben und bin zur Jobmesse in Dortmund gegangen, habe den Stand von VIAS gefunden und meinen Lebenslauf abgegeben. Kurz darauf hatte ich ein Vorstellungsgespräch und erhielt eine Einstellungszusage.
Andrii Shumeiko: Bei mir ging es vergleichsweise schnell. Im Januar 2024 habe ich meinen Lebenslauf an alle Bahngesellschaften in NRW verschickt, die gerade Qualifizierungen anboten. Ich wurde zu drei Vorstellungsgesprächen eingeladen, eines war erfolgreich – und die Qualifizierung wurde durch den Arbeitgeber finanziert. Die daran geknüpfte Bedingung, mindestens drei Jahre im Unternehmen zu bleiben, sehe ich als Vorteil. Denn ich hatte sofort einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Ich arbeite jetzt seit Ende Januar 2025 als Lokführer.
Wie wichtig ist die deutsche Sprache, wenn man Lokführer/in werden will?
Andrii Shumeiko: Die deutsche Sprache ist extrem wichtig, wenn man Lokführer werden möchte. Ich habe ungefähr ein Jahr lang Deutsch gelernt und das B2-Zertifikat. Aber ich glaube, das reicht nicht aus. Es fiel mir am Anfang schwer zu lernen. Ich habe täglich mehrere Stunden für das Selbststudium gebraucht, mir das Unterrichtsmaterial erneut durchgelesen, die Website TF-Ausbildung.de studiert und YouTube-Videos geschaut.
Oleksandr Isai: Auch für mich war die Sprache am Anfang eine große Herausforderung. Der gesamte Lernstoff, die Prüfungen und die Kommunikation im Berufsalltag finden auf Deutsch statt. Ich habe mir viel Zeit genommen, um die Inhalte zu wiederholen und nachzuarbeiten. Wichtig war für mich, immer wieder nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe – sei es bei den Ausbildern oder bei Kollegen. Außerdem habe ich mir zusätzliche Materialien besorgt und online nach Erklärungen gesucht, um schwierige Themen besser zu verstehen.
Wie können Menschen aus der Ukraine oder auch aus anderen Länder bei der Lokführer-Qualifizierung besser unterstützt werden?
Andrii Shumeiko: Ich finde die Vorbereitungskurse in der Eisenbahnerfachsprache, enorm wichtig für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Denn bei der Arbeit ist die Sprache noch einmal wichtiger und schwieriger. Ich hätte gerne einen bahnspezifischen Sprachkurs besucht, aber ich habe zu spät davon erfahren. Ansonsten würde ich besonders die Hilfe der Kollegen hervorheben – gerade am Anfang habe ich viele wichtige Details genau von ihnen gelernt.
Oleksandr Isai: Die fachspezifische Sprachförderung, bei der die Fachbegriffe und die berufsspezifische Kommunikation im Vordergrund stehen, ist wirklich wichtig. Zudem könnten zweisprachige Lernmaterialien besonders am Anfang der Ausbildung das Verständnis erleichtern. Darüber empfehle ich Mentorenprogramme. Wenn erfahrene Lokführer Neuankömmlinge unterstützen, hilft das nicht nur bei fachlichen Fragen, sondern auch bei der Integration in den Arbeitsalltag. Der Aufbau von Netzwerken und der Erfahrungsaustausch mit deutschen Kollegen, aber auch mit Landsleuten, die sich gegenseitig unterstützen können, wären aus meiner Sicht wichtig, um die Erfolgschancen der Ausbildung zu erhöhen.
Welche Ratschläge können Sie anderen Bewerber/innen geben?
Andrii Shumeiko: Mein Rat an andere lautet, Beharrlichkeit zu zeigen. Wenn etwas unklar ist nachfragen bis man es versteht – auch wenn es das 100. Mal sein sollte. So oft ich nachgefragt habe, habe ich immer eine Antwort bekommen.
Oleksandr Isai: Mein Rat heißt, nicht aufzugeben: Seid proaktiv und nutzt jede Gelegenheit, euch persönlich zu präsentieren – sei es auf Messen oder durch direkte Kontakte zu Unternehmen. Manchmal braucht es Geduld und Durchhaltevermögen, aber es lohnt sich! Außerdem: Nutzt jede Gelegenheit, um Deutsch zu üben – sei es durch Lesen, Hören oder Sprechen.
Wie sehen Sie Ihre Zukunftsperspektiven als Lokführer in Deutschland?
Andrii Shumeiko: Ich werde jetzt zuerst die drei Jahre als Lokführer arbeiten. Im Moment gefällt mir dieser Job sehr gut. Ich sehe meine Zukunftsperspektiven sehr positiv und habe viele Entwicklungsmöglichkeiten.
Oleksandr Isai: Nach meiner Qualifizierung habe ich die Chance, in einem sicheren und zukunftsorientierten Beruf zu arbeiten, der mir auch persönlich viel Freude bereitet. Langfristig kann ich mir sehr gut vorstellen, mich weiterzuentwickeln – zum Beispiel durch zusätzliche Qualifikationen oder Spezialisierungen, wie das Führen von Hochgeschwindigkeitszügen oder das Arbeiten im internationalen Bahnverkehr. Auch eine spätere Tätigkeit als Ausbilder ist für mich denkbar, vielleicht sogar eine Führungsposition. Der Lokführer-Beruf gibt mir die Möglichkeit, mich gut in Deutschland zu integrieren und mir ein stabiles Leben aufzubauen. Ich bin motiviert, meine Fähigkeiten weiter auszubauen.