Berufsspezifische Sprachkurse unterstützen die Qualifizierung

Das Bild zeigt eine Lernsituation im Sprachkurs für Lokführerinnen und Lokführer

Arbeitgeber

03. Juni 2025

„Teilnehmende aus den Fachsprachkursen haben es bei der Weiterbildung deutlich einfacher"

Fachspezifische Sprachkurse für Lokführer /innen bilden einen Schwerpunkt im Bildungsangebot von Fokus Bahn NRW. Sie werden u.a. gemeinsam mit dem Bildungsträger SBH West realisiert. 


Deutschland hat ein demografisches Problem: Seit über 50 Jahren werden zu wenige Kinder geboren. Der Bahnbranche und vielen weiteren Wirtschaftszweigen fehlen inzwischen die Fachkräfte. Die Qualifizierung von Menschen aus dem Ausland wird deshalb immer wichtiger. Gemeinsam mit der SBH West (Stiftung Bildung & Handwerk) unterstützt Fokus Bahn NRW die berufliche Integration von Migrant/innen durch fachspezifische Sprachkurse. Nach der Pilotierung im Jahr 2020 wurde das Angebot kontinuierlich ausgebaut und im Bildungsangebot von Fokus Bahn NRW fest verankert. Im Interview erklärt Katrin Braun, Produktverantwortliche Fachsprache Bahn der SBH West, warum die Eisenbahn-Deutsch-Kurse die Erfolgschancen einer Lokführer-Qualifizierung verbessern. 

Portrait von Katrin Braun, Produktverantwortliche Fachsprache der SBH West Quote

Die Fachsprachkurse können für uns auch die Funktion einer Vorauswahl übernehmen.

Katrin Braun

Produktverantwortliche Fachsprache Bahn der SBH West


Zu den Grundvoraussetzungen einer Lokführer-Qualifizierung zählen Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Warum werden zusätzliche Sprachkurse gebraucht?


Katrin Braun: Eins vorab – unser Fachsprachkurs ist kein Sprachkurs, der darauf zielt, das Deutschniveau zu verbessern. Die Teilnehmenden können keine Bescheinigung über ein Sprachlevel erreichen. Es geht hier um spezifische Eisenbahnbegriffe, die auch Muttersprachler nicht kennen, zum Beispiel „punktförmige Zugbeeinflussung“ oder „Flankenschutz“. Die Fachsprachkurse bereiten die Teilnehmenden auf solche Begriffe und Definitionen vor, damit sie sich bei der späteren Qualifizierung voll auf den Unterricht konzentrieren können. 


Es handelt sich also um eine sprachliche Vorbereitung für die Lokführer-Qualifizierung. Wie genau funktioniert das?


Katrin Braun: Es handelt sich um einen Vollzeit-Kurs über drei Monate, der vor der eigentlichen Qualifizierung absolviert wird und online in einem rollierenden System stattfindet. So können wir Interessierten einen individuellen monatlichen Einstieg anbieten, der zeitlich nah an der späteren Qualifizierung liegt. Durch das rollierende System wird der Stoff in regelmäßigen Abständen wiederholt, auch das hilft beim Verstehen. Zusätzlich zum Fachunterricht erhalten die Teilnehmenden einmal in der Woche einen Kommunikationsunterricht. Der zielt darauf ab, dass sie wirklich ins Sprechen kommen – denn darin liegt oftmals eine große Hürde für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.


Wie viele Teilnehmende haben die Fachsprachkurse bereits absolviert? 


Katrin Braun: In den vergangenen fünf Jahren haben bereits 280 Menschen die Kurse besucht. Die meisten haben danach auch die Weiterbildung erfolgreich absolviert. Natürlich gibt es bei den Sprachkursen auch Teilnehmende, die nach kurzer Zeit abbrechen. Die merken dann beispielsweise, dass es beim Beruf des Triebfahrzeugführers für sie persönlich zu technisch zugeht. Die Sprachkurse können für uns daher auch die Funktion einer Vorauswahl übernehmen. Auf jeden Fall können wir am Ende des Fachsprachkurses die Teilnehmenden sehr gut einschätzen und gegebenenfalls mit Sprachkursen oder anderen Hilfeangeboten weiter unterstützen.


Gab es Aspekte, die bei den Fachsprachkursen zunächst nicht so gut funktioniert haben?


Katrin Braun: Wir haben mit Präsenzkursen angefangen, allerdings früh gemerkt, dass wir dann nicht flexibel genug auf die Wünsche der Teilnehmenden reagieren können. Die wollen nicht mehrere Monate warten, bis ein Kurs in Präsenz startet – und dann mitunter mit dem Vorbehalt, dass sich genügend Menschen in der Region finden müssen, um den Kurs voll zu bekommen. 


Was bringen die Fachsprachkurse konkret? 


Katrin Braun: Wir sehen, dass Absolvent/innen eines berufsbezogenen Fachsprachkurses es bei der Qualifizierung deutlich einfacher haben. Denn sie können sich direkt mit der eigentlichen Materie in den Lokführerkursen beschäftigen. 


Warum ist es für die Bahnbranche wichtig, Migrant/innen bei der Lokführer-Qualifizierung zu unterstützen?


Katrin Braun: Lange Zeit waren die Berufe bei den Bahnen nicht in den Köpfen der Menschen – sowohl bei Deutschen als auch bei Migrant/innen. Jetzt steuern wir auf einen extremen Fachkräftemangel zu, den wir allein mit Kandidaten, deren Muttersprache Deutsch ist, gar nicht mehr kompensieren können. Wir wissen, dass viele Menschen, die nach Deutschland kommen, arbeiten möchten, um sich und ihren Familien ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Bahnbranche bietet die Chance, sich eine sichere Zukunft in Deutschland aufzubauen. So haben wir zum Beispiel Ukrainer/innen in den Kursen, die bereits in ihrer Heimat Berührungspunkte mit der Eisenbahn hatten, dort aber keine Gelegenheit, den Beruf auszuüben. Oder Syrer/innen, die uns sagen, dass sie sich in Deutschland endlich ihren Kindheitstraum Lokführer/in erfüllen können. Diese Menschen nehmen niemandem den Job weg. Die Nachfrage nach neuen Triebfahrzeugführer/innen ist so hoch, dass auch jeder Deutsche, der motiviert ist und die Grundvoraussetzungen erfüllt, eine Qualifizierungsmaßnahme beginnen kann.  


Welche Vorteile haben Sie als SBH-West, diese Fachsprachkurse anzubieten?


Katrin Braun: Die Fachsprachkurse machen uns die Planung einfacher. Besonders bei Teilnehmenden, die ohne den Kurs bereits nach ein paar Wochen die Qualifizierungen hingeschmissen hätten. Dieser findet in Präsenz statt und es ist nicht schön, wenn man schon kurz nach dem Beginn Teilnehmende verliert. Wir erkennen auch schnell, wer noch Hilfe benötigt. Das alles verbessert die Quote derer, die später in der Qualifizierung die Abschlussprüfung schaffen.


Ein Ikon einer Hand die auf ein Ikon einer Person drückt.
Branchenspezifische Weiterbildung

Neben den Fachsprachkursen umfasst das Schulungsangebot von Fokus Bahn NRW noch fünf konkrete Formate: Deeskalationstrainings, Kommunikation und Stressbalance, Fit und gesund im Schichtdienst, Simulatortraining für Disponent/innen und Basisschulung für Fahrtrainer/innen.