5 Fragen an … Bodo Kalveram, Leiter der NRW Regionalagentur MEO
Programm
08. Januar 2020
Lösungen für die Behebung des Fachkräftemangels vieler Branchen zu finden, ist in der aktuellen Situation vermutlich kein einfaches Unterfangen. Was reizt Sie persönlich? Wo liegen die größten Hürden? Welche Eigenschaften muss man mitbringen, um dabei erfolgreich zu sein?
Bodo Kalveram: Ich verbinde mit dem Begriff Fachkräftemangel auch das Wort Fachkräftechance. Dies bedeutet, dass wir arbeitslosen oder arbeitsuchenden Menschen eine Chance auf eine neue Beschäftigung geben können. Das beschreibt auch das reizvolle der Aufgabe, durch ein aktives Mitwirken, Menschen, die Geringschätzung, Ablehnung und Verlusterfahrungen im Bewerbungsprozess erfahren haben, neuen Mut zu geben.
Einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, ist in der Regel ein sehr emotionaler Moment. Und wenn ich weiß, dass man dazu beigetragen hat, dann ist es auch erfüllend. Hürden gibt es immer. Mal bei den Suchenden, mal bei den Unternehmen. Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Mut bei den Unternehmen, einmal den Weg der Formalqualifikationen und Standards zu verlassen und Menschen mit krummen Biographien Chancen zu geben. Auf der anderen Seite steht aber auch: Chancen zu erhalten, bedeutet nicht immer auch Chancen zu nutzen.
Rund 700 Menschen in NRW gilt es in den nächsten fünf Jahren für den Lokführerberuf zu gewinnen, damit die Nahverkehrszüge auch in Zukunft rollen. Wo sehen Sie in der Region Mülheim, Essen, Oberhausen die größten Herausforderungen, wo die größten Chancen?
Bodo Kalveram: Ich sehe erst einmal nur Chancen: Der Beruf beinhaltet eine hohe Verantwortung und bietet viele Identifikationsansätze. Das Thema der Nachhaltigkeit wird in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Ebenso das Thema der Mobilität, ein Teil einer „neuen“ Bewegung, im wahrsten Sinne des Wortes, zu sein, ist, so glaube ich, sehr attraktiv. Wir leben in einer Metropole und dieser Beruf bietet Antworten auf die kommenden Fragen der Mobilität innerhalb einer Region.
Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Mut bei den Unternehmen, einmal den Weg der Formalqualifikationen und Standards zu verlassen und Menschen mit krummen Biographien Chancen zu geben.
Bodo Kalveram
Leiter der NRW Regionalagentur MEO
Der Konkurrenzkampf um Fachkräfte ist hart. Was sind die Erfolgsfaktoren? Worum geht es, wenn man Bewerber für sich gewinnen will - welche Bedeutung hat das Branchenimage, welche die Bezahlung, welche die Sicherheit der beruflichen Perspektive?
Bodo Kalveram: Wir erleben eine neue Sehnsucht nach Sicherheit und Planbarkeit bei vielen Menschen. Daher glaube ich, dass die Unternehmen in Zukunft erfolgreich sein werden, welche nicht aus Gnade Jobs anbieten, sondern begriffen haben, dass der Wert des Unternehmens in den Köpfen der Mitarbeiter/innen liegt.
Natürlich korreliert Bezahlung mit Attraktivität, aber gerade mit Blick auf die Generation Y, ändert sich gerade diese Haltung. Inhalt, Individualität und Identifikation werden zunehmend wichtiger im Arbeitsalltag. Oder mit den Worten von Otto Rehagel zu sprechen: „Geld schießt keine Tore“.
Welche Zielgruppen in Ihrer Region sollten die Bahnen besonders ins Auge fassen und was sollten sie tun, um sie für den Lokführerberuf zu gewinnen? Die Bahnen haben zunächst die Zielgruppen Frauen und arabischsprachige Migranten ausgewählt, wie sehen Sie hier die Chancen?
Bodo Kalveram: Ich sehe diesen Ansatz als sehr vielversprechend, es gibt sehr, sehr viele gute Beispiele von beruflicher Integration bei der Zielgruppe der Migrant/innen. Auch in atypischen Berufen. Ich glaube, dass bei den arbeitslosen Menschen in der Region noch sehr viele Potentiale schlummern.
Lokführermangel zu beheben, dabei möglichst vielen Menschen eine neue zukunftssichere Perspektive in einem gutbezahlten Beruf zu geben - MEO und Fokus Bahn NRW eint ein gemeinsames Ziel. Wenn Sie eine Prognose wagen würden: Wo stehen wir in zwei, drei oder fünf Jahren?
Bodo Kalveram: Ich habe die Vision, dass der Schienenpersonennahverkehr eine wesentliche Rolle bei der Abkehr vom Individualverkehr spielen wird. Und dass dann die, die damals „aufgesprungen“ sind, noch an Bord sind und wir auf eine erfolgreiche, immer noch währende Zusammenarbeit zurückblicken können.