Minister Krischer: Offensive für Fachkräfte im Öffentlichen Verkehr

Bild einer Fernsehkamera hinter der eine Person steht. Im Hintergrund sind verschwommen viele Personen zu sehen.

Pressemeldung

13. September 2023

Nordrhein-Westfalen investiert sechs Millionen Euro in die Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften für den Schienenpersonennahverkehr.


Die Landesregierung will zusammen mit den Unternehmen und Verbänden der Branche des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) die bisherige Beschäftigungsoffensive ausweiten und den ÖPNV dadurch leistungsstärker, verlässlicher und vernetzter zu machen.


„Jeder kennt diese Durchsage am Bahnsteig: Die Fahrt der S-Bahnlinie XY muss wegen Personalmangel ausfallen. Damit muss so schnell wie möglich Schluss sein, denn fehlende Fachkräfte sind neben den unvermeidlichen Baustellen das größte Problem für den ÖPNV derzeit", sagte Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, am Mittwoch, 13. September 2023, in der Landespressekonferenz. „Mit unserer Beschäftigungsoffensive wollen wir dem Fachkräftemangel entgegentreten und investieren noch mehr in Menschen und ihr Fachwissen - und damit in die Zukunft der Schiene." Durch den akuten Fachkräftemangel verteilt sich die Mehrbelastung täglicher Störungsfälle auf zu wenige Schultern von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um die angespannte Personalsituation auf der Schiene zu entlasten, investiert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt sechs Millionen Euro in eine Beschäftigungsoffensive und setzt damit sein Engagement zur Fachkräftegewinnung für die Branche fort.


Hohe Krankenstände im ÖPNV auf der Schiene

Die Zahlen sind alarmierend: Mit bis zu 15 Prozent Krankenständen bei Lokführerinnen und Lokführern sowie Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuern hat sich die Zahl krankheitsbedingter Ausfälle im vergangenen Jahr im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie nahezu verdoppelt. Auch die Fluktuation beim Personal hat sich zum Teil auf sieben bis acht Prozent pro Jahr fast verdoppelt; vor der Pandemie waren rund vier Prozent branchenüblich.


Die krankheitsbedingten Zugausfälle bei den Eisenbahn-Verkehrsunternehmen haben in den letzten Monaten weiter zugenommen. Minister Krischer: „Die Personaldecke ist einfach zu dünn. Jetzt stehen auch noch der Herbst und der Winter mit erwartbaren Grippe- und Erkältungswellen vor der Tür und damit verschärfen sich die Probleme für die Fahrgäste, die den Fachkräftemangel schon jetzt tagtäglich durch Verspätungen, Ausfälle und Schienenersatzverkehre deutlich zu spüren bekommen." Deshalb investiert die Branche jetzt gemeinsam mit der Landesregierung noch mehr in die Beschäftigungsoffensive, um so schnell wie möglich mehr Personal ins System zu bringen.


In den kommenden Jahren rechnen die am Landesprogramm „Fokus Bahn NRW" beteiligten Unternehmen und Verbände allein für die Berufsgruppe der Lokführerinnen und Lokführer mit einer Fluktuation in Höhe von 40 Prozent. Allein bis 2027 werden circa 20 Prozent der 3.000 Lokführerinnen und Lokführern bei den Bahnen in Nordrhein- Westfalen in den Ruhestand treten. Nach den letzten Befragungen und Hochrechnungen von „Fokus Bahn NRW" werden in Nordrhein-Westfalen zunächst bis 2025 mindestens 400 neue Fachkräfte dieser Berufsgruppe pro Jahr benötigt.


Dank der Zusammenarbeit der Aufgabenträger und Nahverkehrsbahnen im Landesprogramm „Fokus Bahn NRW" konnten seit 2019 bereits ein relevanter Personalzuwachs für den Schienenpersonennahverkehr erzielt und bis 2023 rund 490 Lokführerinnen und Lokführer qualifiziert werden. Aber nach den letzten Erhebungen fehlen allein in diesem Jahr immer noch 150 Triebfahrzeugführerinnen und -führer. Im Rahmen der Beschäftigungsoffensive werden für diese Berufsgruppe nun noch einmal zusätzliche, unternehmensübergreifende Qualifizierungen mit rund 100 Kursplätzen bereitgestellt. Das Qualifizierungsangebot von „Fokus Bahn NRW" wird damit auf 21 Kurse in den Jahren 2023/2024 aufgestockt.


Auch im Bereich der Kundenbetreuung im Nahverkehr wird Personal benötigt. 600 zusätzliche Vollzeitstellen sollen den Personalbestand von rund 1.500 Mitarbeitenden erhöhen, 300 Stellen konnten bereits besetzt werden. Erforderlich wird dies durch die Erhöhung der Begleitquote in neuen Verkehrsverträgen. Ebenfalls sehr gefordert ist die Berufsgruppe der Disponentinnen und Disponenten angesichts zunehmender Störfälle, langfristiger Schienenersatz- sowie kurzfristiger Busnotverkehre. Im Dezember 2022 waren 195 Disponentinnen und Disponenten für die Bahnen in NRW tätig, 25 Stellen waren zu diesem Zeitpunkt vakant. Für 2023/24 sollen 35 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen und qualifiziert werden. Der erste Kurs mit Teilnehmenden aus vier Eisenbahnverkehrsunternehmen startete im Frühjahr. Die Beschäftigten in den Leitstellen nehmen im Schienenpersonennahverkehr des Landes eine Schlüsselposition ein. Aufgrund der aktuellen und zu erwartenden Baustellen sind sie die derzeit am stärksten beanspruchte Berufsgruppe.


„Nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller beteiligten Akteure gelingt es uns, dem Fachkräftemangel auf der Schiene gezielt entgegenzuwirken", bekräftigte Joachim Künzel, Programmleiter von Fokus Bahn NRW und Geschäftsführer Nahverkehr Westfalen-Lippe. Künzel verwies auf die bisherigen Erfolge der Brancheninitiative, die sie insbesondere durch gezielte unternehmensübergreifende Personalanwerbemaßnahmen sowie eine intensivierte Zusammenarbeit etwa mit den Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen erreicht habe: „Alle seit 2019 eingerichteten Kursplätze zur Qualifizierung von Triebfahrzeugführerinnen und -führern konnten mit geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern besetzt werden konnten." Trotz dieser Erfolge, so Künzel, habe sich der Personalbedarf für die Schiene erheblich verschärft.


„Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen vom Fachkräftemangel über die Folgen des demografischen Wandels bis hin zu besonderen Belastungssituationen im Schienen-Personennahverkehr-Betrieb," erläuterte Marcel Winter, Co-Programmleiter von Fokus Bahn und Geschäftsführer von National Express. Aus einer Branchenbefragung, an der sich über 1.500 Mitarbeitende der Nahverkehrsbahnen in NRW beteiligt haben, geht hervor, dass die zunehmenden Störungen im Netz, beispielsweise die vielen baustellenbedingten Umplanungen, als Hauptbelastungsfaktor für die Arbeit wahrgenommen werden. „Viele unserer Leute sind am Ende ihrer Kraft. Durch die vielen Störungen und Baustellen im Streckennetz ist kaum noch etwas planbar, auch die eigene Freizeit nicht. Das darf nicht so weitergehen. Deshalb ist der Grundansatz der Beschäftigungsoffensive des Landes, möglichst schnell mehr Menschen für die Bahnen in Nordrhein-Westfalen zu qualifizieren, der einzig richtige Weg," sagte Winter.


Infrastruktur muss erneuert werden

Neben dem Fachkräftemangel ist der Zustand der Infrastruktur ebenfalls für Verspätungen und Ausfälle verantwortlich. „Wir zahlen jetzt die Zeche für viel zu wenig Investitionen in den letzten Jahrzehnten", sagte Minister Krischer. Jährlich beinträchtigen rund 1.000 Baustellen unterschiedlicher Größe den Betriebsablauf. Davon sind täglich zahlreiche Linien im Schienenverkehr betroffen. Die Nahverkehrslinien in Nordrhein-Westfalen weisen daher im Durchschnitt derzeit eine Pünktlichkeitsquote von etwa 80 Prozent auf. Je nach betrachtetem Zeitraum sind bis zu 15 Prozent der bestellten Verkehrsleistung durch Ausfälle beeinträchtigt, wobei mit rund zehn Prozent der überwiegende Teil vorhersehbar ist und durch Ersatzleistungen (Busse) aufgefangen wird. Minister Krischer: „Eines ist aber auch klar: Die Aufgabe, die Schiene fit zu machen für Gegenwart und Zukunft, kann nicht ohne den für das Schienennetz überwiegend verantwortlichen Bund gelingen. Da passiert durch die Bundesregierung in Berlin schon mehr als in der Vergangenheit, aber wir sind noch weit davon entfernt, den Investitionsstau abgebaut, geschweige denn den für die Verkehrswende notwendigen Ausbau gemacht zu haben."


Maßnahmen im Einzelnen für Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer
  • Sieben zusätzliche, unternehmensübergreifende Qualifizierungen mit insgesamt 100 zusätzlichen Kursplätzen für die Jahre 2023/2024
  • Entwicklung eines einheitlichen Rahmenplans für die Triebfahrzeugführerinnen- und Triebwagenführer-Ausbildung
  • Konzeption und Koordination Qualifizierung in Teilzeit sowie Pilotkurs
  • Ausbau des Mentorenprogramms
  • Anschubfinanzierung für die duale Ausbildung Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im Betriebsdienst
  • Anreizsystem für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer für die fahrpraktische Ausbildung
  • Recruiting / Ansprache von Bewerberinnen und Bewerber in Kampagnen und Jobmessen
  • Aufsatz und Begleitung von Workshops und Tagesschulungen
  • Ausbau des Angebots von Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten
Maßnahmen für die Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuer im SPNV
  • Erweiterung des Netzwerks mit Arbeitsagenturen und externen Bildungsträgern
  • Konzeption einer unternehmensübergreifenden Basisqualifizierung
  • Koordination von unternehmensübergreifenden Qualifizierungen
  • Aufsatz und Durchführung Matching in der Bewerberinnen- und Bewerber-Auswahl
  • Erweiterung der etablierten Tarif-Ausbildungskostenerstattung auch für Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuer
  • Recruiting / Ansprache von Bewerberinnen und Bewerbern in (Kampagnen, Jobmessen)
  • Aufsatz und Begleitung von Workshops sowie Angebot von Tagesschulungen
  • Angebot von Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten
Maßnahmen für Disponentinnen und Disponennten (in Leitstellen)
  • Aufsatz und Koordination von fünf Kursen Basisqualifizierung
  • Konzeption von Folgemodulen, aufbauend auf der Basisqualifizierung
  • Analyse und Konzeption von Aufgaben und Schnittstellen in Leitstellen und SPNV Regiezentrale NRW (Koordinatoren für die Fahrgastinformation, FIM, GVM)
  • Konzeption und Koordination einer unternehmensübergreifenden Qualifizierung für Betriebsplanerinnen und Betriebsplaner
  • Unternehmensübergreifende Kommunikationsworkshops zum Thema Infrastruktur
  • Aufbau eines Mentorenprogramms

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