Fokus Bahn NRW im Gespräch mit Matthias Goeken, CDU

Das Bild zeigt Matthias Goeken, den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Landtag NRW, beim Job Speed Dating der Nahverkehrsbahnen in Paderborn.

Programm

17. Juli 2024

„Das System SPNV muss stabilisiert werden.“

Mit deutlichen Worten beschreibt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Landtag NRW, Matthias Goeken (CDU), die aktuellen und langfristigen Herausforderungen auf dem Weg zur Mobilitätswende.


In seiner Doppelfunktion als Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Landtag NRW und als Vorsitzender der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Nahverkehr Westfalen-Lippe verfolgt Matthias Goeken derzeit die Entwicklungen rund um die Eurobahn mit höchster Aufmerksamkeit. Reduzierte Fahrpläne dürften im SPNV NRW nicht zum Normalfall werden, erklärt der CDU-Politiker, der deshalb auch die gemeinsame Personalgewinnung der Nahverkehrsbahnen unterstützt.


Engpässe in der Schienen-Infrastruktur und der Personalmangel bei den Lokführer/innen belasten die Fahrgäste ebenso wie die Mitarbeitenden im SPNV NRW nahezu tagtäglich. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?


Matthias Goeken: Die Lage ist sowohl für die Mitarbeitenden im SPNV als auch für die Fahrgäste verheerend. Das fehlende Fachpersonal führt dazu, dass der Fahrplan nicht verlässlich eingehalten kann. Für viele Menschen in unserem Land, die auf das Angebot des SPNVs angewiesen sind, bedeut dies große Einschnitte im Alltag. Für die Mitarbeiten wiederum bringen die Personalengpässe häufig Mehrarbeit mit sich. Um das Angebot aufrecht erhalten zu können, arbeiten viele an der Belastungsgrenze. Gerade in Akutsituationen bleibt da leider oft nichts anderes übrig, als den Fahrplan zu kürzen oder einzelne Verbindungen zu streichen. Dies darf aber nicht zur Normalität werden.


Die Attraktivität von ÖPNV und SPNV steigern wir nur, indem wir ein verlässliches Angebot mit einem breit aufgestellten Fahrplan schaffen.

Matthias Goeken

Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Landtag NRW

Das Bild zeigt Matthias Goeken (CDU), den Vorsitzenden des Verkehrssausschusses im Landtag NRW. Quote

Zu den zentralen Fragen der Angebotsentwicklung in ÖPNV und SPNV zählt nach wie vor auch die Tarifentwicklung. Der NRW-Nahverkehr verfügt mit dem Deutschlandticket über eine Flatrate für Abonnent/innen. Der elektronische Tarif eezy.nrw bietet sich für Gelegenheitskund/innen an. Wie sehen Sie die Chancen für Tarife mit landesweit einheitlicher Gültigkeit? 


Matthias Goeken: Unser Ziel muss es sein, dass wir in NRW einheitliche Tickettarife schaffen. Das Deutschlandticket und eezy.nrw bilden eine gute Grundlage; nun gilt es, darauf aufzubauen. In diesem Kontext müssen wir noch einiges an Informationsarbeit leisten, denn viele Bürger/innen kennen den elektronischen Tarif noch gar nicht. Bestehende Tarifdschungel belasten nicht nur die personellen Ressourcen, sondern stellen auch für viele Fahrgäste eine Hürde da. Die Nutzung des ÖPNVs darf nicht am Ticketkauf scheitern.


 

Nun setzt der Nahverkehr in NRW nicht allein auf die Schiene, sondern auf eine sinnvolle Vernetzung. Sollte das Modell der Mobilstationen weiter ausgerollt werden?


Matthias Goeken: Mobilstationen bieten gerade für Menschen in ländlichen Raum einen großen Vorteil. Nicht jeder hat eine Zuganbindung vor der Tür, oftmals müssen weitere Strecken zum nächsten Bahnhof zurückgelegt werden. Mobilstationen ermöglichen es, verschiedene Mobilitätformen klug miteinander zu verknüpfen. Sie stellen eine gute Möglichkeit dar, den SPNV an andere Verkehrsmittel anzubinden  – und umgekehrt.


 

Zum Jahresbeginn fiel der Startschuss für die DB InfraGO AG, die neue gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn. Inwieweit halten Sie die Steuerung der Gesellschaft nach Kriterien der Gemeinnützigkeit für realistisch?


Matthias Goeken: Die Steuerung einer Infrastrukturgesellschaft wie Infra Go nach Gemeinnützigkeitskriterien ist eine innovative Idee, die potenziell Vorteile für die Fahrgäste mit sich bringen könnte – gerade wenn nicht gewinnmaximierend gearbeitet werden muss. Allerdings sind damit auch erhebliche Herausforderungen verbunden, insbesondere in Bezug auf Finanzierung und regulatorische Kompatibilität. Um dieses Modell erfolgreich zu implementieren, wären wahrscheinlich erhebliche Änderungen im Management- und Steuerungsstil notwendig. Insgesamt könnte dies jedoch eine Chance sein, den öffentlichen Verkehrssektor sowie konkret die deutsche Bahn und dessen Angebot kundenorientierter zu gestalten.

Ein Porträt von Matthias Goeken (CDU), den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Landtag NRW. Quote

Grundsätzlich stellen jegliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur auch Investitionen in die Zukunft dar.

Matthias Goeken

Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Landtag NRW

Die Liberalisierung des SPNV-Marktes ist fast 40 Jahre her, die Erfolge des Wettbewerbs sind weitgehend anerkannt. Gleichzeitig liegen heute wesentliche Teile der Wertschöpfungskette wie das Fahrgast-Marketing oder die Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung in öffentlicher Hand. Die Bahnunternehmen differenzieren sich über kaum mehr als die Personalkosten. Ist das der richtige Weg?


Matthias Goeken: Nun stehen die Nahverkehrsbahnen ja nicht tagtäglich im Wettbewerb um den Fahrgast. Diesem ist es egal, mit wem er auf seiner Strecke befördert wird. An der Kundenschnittstelle geht es deshalb nicht um größtmögliche Unterscheidbarkeit, sondern im Gegenteil um größtmögliche Einheitlichkeit. Also braucht es Strukturen, die auf das System SPNV einzahlen und nicht auf einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen. Allerdings müssen diese Strukturen flexibel sein, denn unternehmerische Kreativität sollte nicht durch vielleicht auch mal überzogene Vorgaben verloren gehen. Sie sollte aber dem Fahrgast und dem Gesamtsystem ÖPNV nutzen. Hier die richtige Balance zu finden, ist nicht einfach, aber eine wichtige Aufgabe.


 

Fokus Bahn NRW beruht auf dem Grundprinzip des Wettbewerbs in der Ausschreibungsphase und jenseits dieser Phase der Zusammenarbeit im Sinne der Fahrgäste und des Systems Schiene. Wie finden Sie das Modell und wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen für uns? 


Matthias Goeken: Dieses Prinzip ist die große Errungenschaft von Fokus Bahn NRW und des Vorläufers Agenda Bahnen NRW. Ohne eine solche Zusammenarbeit können wir die relevanten Probleme des Systems nicht lösen. Keiner ist dazu allein in der Lage. Ansonsten liegen die zentralen Herausforderungen auf der Hand – und und es sind nicht die Herausforderungen dieses Jahres, sondern die der kommenden Jahre: Das System SPNV muss stabilisiert werden, wir müssen wieder langfristige Planungssicherheit bekommen, und wir müssen das Vertrauen stärken, dass die Mobilitätswende trotz der aktuellen Krisen erreichbar ist.


Fokus Bahn Interviews

Mit Expert/innen aus Politik und Gesellschaft erörtert Fokus Bahn NRW aktuelle Fragen zur Entwicklung der öffentlichen Mobilität. Matthias Goeken ist der fünfte Gesprächspartner. Er folgt auf Christof Rasche (FDP NRW), Ina Besche-Krastl (DIE GRÜNEN NRW),  Carsten Löcker (SPD NRW) und Lothar Ebbers (Pro Bahn NRW).

 
Das Bild zeigt das Titelmotiv der Leistungsbilanz von Fokus Bahn NRW: Gleise, an denen Bauarbeiten durchgeführt werden. Danaben fährt ein gelber Zug auf dem nebengleis vorbei.
Fünf Jahre Fokus Bahn NRW

Zur Leistungsbilanz