Fokus Bahn NRW realisiert Busnotverkehre

Ein junger Mann der Kopfhörer trägt, steht an einer Bushaltestelle und schaut auf sein Smartphone.

Fahrgast

08. August 2023

"Small Start" zum Fahrplanwechsel

Ob Unwetter, Unfall oder Beschädigung am Gleis: Bei unvorhersehbaren Störungen im Bahnbetrieb brauchen die Fahrgäste zuverlässige Informationen und konkrete Hilfe. Dafür hat Fokus Bahn NRW das Teilprojekt „Busnotverkehre“ aufgelegt. Projektleiter Alexander Golenia plant einen „Small Start“ zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023.


Wer häufig mit der Bahn reist, der ist Verspätungen gewohnt. Auch im SPNV Nordrhein-Westfalens ist die betriebliche Lage so angespannt wie selten zuvor. Fokus Bahn NRW hat deshalb ein Bündel verschiedener Maßnahmen für mehr Pünktlichkeit und eine bessere Betriebsqualität an den Start gebracht. Die unternehmensübergreifende Organisation von Busnotverkehren bildet dabei ein wichtiges Teilprojekt. Wie die Nahverkehrsbahnen in NRW eine zentrale Koordination ihrer Verkehrsleistungen in akuten Stör- und Notfällen umsetzen wollen, erklärt Projektleiter Alexander Golenia aus dem Bereich Information und Innovation bei der Regiobahn.


SPNV-Kund/innen in NRW erleben gefühlt nahezu täglich eine unvorhergesehene Störung. Wie ernst ist die Lage?


Alexander Golenia: Der aktuelle SPNV-Qualitätsbericht 2022 zeigt die Herausforderung, vor der unsere Branche steht. Mehr als jede fünfte Bahn des Regionalverkehrs war im vergangenen Jahr unpünktlich, und die Zuverlässigkeit ist spürbar zurückgegangen. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen bzw. ihre Betriebsplaner/innen und Disponent/innen müssen tagtäglich auf unvorhersehbare Störungen reagieren – neben dem ganz normalen Tagesgeschäft, das aufgrund der zahlreichen Baustellen bereits große personelle Ressourcen bindet. Früher gab es in einem Korridor vielleicht zwei bis drei größere Baumaßnahmen pro Jahr, heute sind es zwei oder drei Baustellen im Monat. Dafür werden Ersatzfahrpläne und Ersatzverkehre schon frühzeitig geplant. Bei unvorhersehbaren Störungen ist das nicht möglich. Das versteht sich von selbst.


Welche Störungen gelten als unvorhersehbar?


Alexander Golenia: Unvorhersehbare Ausfälle treten kurzfristig auf, so dass die Einschränkungen nur schlecht kompensiert werden können. Sehr häufig sind „Personen im Gleis“, in den meisten Fällen aber – dem Himmel sei Dank – wird der Verkehr dadurch nicht allzu lange beeinträchtigt. Schwieriger sind Unfälle wie unlängst in Wuppertal, als eine Kehrmaschine im Bahnhof durch den Sog eines Zuges in den Gleisbereich gestürzt ist und dieser für Stunden gesperrt bleiben musste. Bombenfunde mit Evakuierungen kommen ebenfalls vor. Nicht zu vergessen sind die zunehmenden Wetterschäden. Mal sind es Äste oder Bäume, die nach einem Sturm auf Oberleitung oder Gleis stürzen. Mal sind es Unterspülungen und Hangrutsche nach Starkregenfällen. Extreme Hitze oder extreme Kälte können auch Gleisschäden verursachen. Der Klimawandel macht vor dem Bahnnetz keinen Halt. Viele unvorhersehbare Störungen sind allerdings Störungen der Infrastruktur oder kurzfristigen Erkrankungen des Zugpersonals geschuldet.


Die Nahverkehrsbahnen in NRW stehen also vor Infrastrukturproblemen, die sie nicht selbst beheben können?


Alexander Golenia: Der Personalmangel trifft die gesamte Bahnbranche. Zudem wurde in den letzten 30 Jahren nicht genug in den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert. Das soll jetzt aufgeholt werden und sorgt für viele Baumaßnahmen. In dieser Situation ist es entscheidend, dass Fahrgäste bei unvorhersehbaren Störungen besser weiter kommen. Wir können diese Störungen nicht verhindern, aber wir wollen besser darauf reagieren – indem wir schneller und umfangreicher über Reisealternativen informieren. Das können Busnotverkehre sein, die üblicherweise von den Bahnunternehmen organisiert werden, oder auch Bus-, Straßen- oder U-Bahnlinien des kommunalen ÖPNV, die zumindest in die gleiche Richtung fahren. Diese Informationen kommen für die betroffenen Fahrgäste oft zu spät oder sie sind unzureichend. Hier setzt unser Projekt „Busnotverkehre“ an.


Was genau sind die Inhalte des Teilprojekts „Busnotverkehre“?


Alexander Golenia: Das Projekt zielt auf die zentrale Koordination von Busnotverkehren in Korridoren, die von mehreren Nahverkehrsbahnen befahren werden. Bislang ist es so, dass jedes Unternehmen für sich Notverkehre organisiert. Auf gemeinsam befahrenen Strecken ergeben sich dann häufig Engpässe bei den verfügbaren Busunternehmen, da diese gerade verschiedene Anfragen erhalten. Das wiederum führt zu Verzögerungen und eben auch zu uneinheitlichen Fahrgastinformationen. Deshalb sollen in gemeinsam befahrenen Korridoren zukünftig spezialisierte Buskoordinator/innen die Organisation von Notverkehren übernehmen. Sie werden das Team in der SPNV-Regiezentrale NRW ergänzen und dort Hand in Hand mit den Disponent/innen und den Koordinator/innen für die Fahrgastinformation arbeiten. Die Disponent/innen können sich dann ganz darauf konzentrieren, Sachverhalte und Lagen zu klären. Gleichzeitig planen die Buskoordinator/innen die Notverkehre, fragen verfügbare Busunternehmen an und beauftragen diese. So stehen dann auch die nötigen Fahrgastinformationen schneller zur Verfügung. Um diese Arbeitsprozesse noch weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen, setzen wir auf die Digitalisierung und werden im Projekt eine interne Kommunikationssoftware für die Organisation der Busnotverkehre entwickeln lassen. Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft betroffenen Fahrgästen – je nach Störung – 30 bis 60 Minuten früher über zuginfo.nrw und die bekannten Apps des NRW-Nahverkehrs alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen können, damit sie ihre Reise fortsetzen können.


Wann werden die Buskoordinator/innen in NRW ihre Arbeit aufnehmen?


Alexander Golenia: Wir unternehmen zunächst einen „Small Start“ und werden zum nächsten Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 sechs Buskoordinator/innen einstellen, die im Schichtdienst eine durchgehende Besetzung in der SPNV-Regiezentrale NRW sicherstellen. Ihre Arbeit wird sich zunächst auf den Korridor zwischen Krefeld und Hagen über Neuss, Düsseldorf, Solingen und Wuppertal konzentrieren. In diesem Korridor bedienen 16 SPNV-Linien insgesamt 57 Bahnhöfe und Haltepunkte. Zu den Aufgaben der Buskoordinator/innen gehört auch die Entwicklung von Notfallkonzepten. Diese werden nicht nur alle wichtigen Daten zur Organisation von Busnotverkehren beinhalten, sondern beispielsweise auch zu regionalen ÖPNV-Angeboten, auf die Fahrgäste noch ausweichen könnten. Schritt für Schritt möchten wir das Projekt dann weiterentwickeln und weitere Korridore einbeziehen.