Schneller Busnotverkehr bei Störungen auf der Schiene

Ein junger Mann sind am Steuer eines Busses.

Programm

02. April 2024

„Manchmal denke ich mir, ich springe selbst schnell in einen Bus und fahre hin.“

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 unterstützen Koordinator/innen für Busnotverkehre die Mitarbeitenden in der SPNV-Regiezentrale NRW in Duisburg. Wo sonst mitunter Kapazitäten für die Organisation der Ersatzverkehre fehlten, greifen jetzt sechs qualifizierte Kolleg/innen zum Hörer und zur Tastatur.


Wenn Unwetter, unbefugte Personen oder defekte Technik Gleise unpassierbar machen, sind sie am Zug: Die Koordinator/innen für Busnotverkehre organisieren schnellen Ersatz für den Verkehr auf der Schiene, damit Fahrgäste doch noch an ihr Ziel gelangen. Seit vier Monaten unterstützen sie die Kolleg/innen der Disposition in der Regiezentrale in Duisburg. Einer von ihnen ist Erik Lange – der kommt eigentlich aus der Busbranche.


Ein junger Mann sitzt am Steuer eines Busses. Quote

Hier ist kein Tag wie der andere – das liebe ich an diesem Job.

Erik Lange

Koordinator für Busnotverkehre


Ein ehemaliger Busfahrer, der Notverkehre für die Schiene organisiert? Das war eine bewusste Entscheidung, erklärt Alexander Golenia, Leiter des Teilprojekts Busnotverkehre: „Wir haben schnell gemerkt, dass wir eigentlich keine Fachleute aus der Eisenbahnwelt für den neuen Job brauchen – sondern aus der Buswelt“. Diese brächten nicht nur den kaufmännischen Hintergrund und ein hohes Maß an Belastbarkeit mit, sondern auch das Fachwissen, welcher Bustyp sich für welche Anzahl an Fahrgäste und Strecke eigne und welcher nicht. Doch es geht natürlich auch andersherum, betont Golenia: „Und so gibt es auch einen ehemaligen Eisenbahner und einen Disponenten im Team. Das Wissen, das bei den Kollegen aus der Buswelt fehlt, können sie sich von ihren Bahnkollegen abholen – und umgekehrt. Das ist dann am Ende der perfekte Mix.”


Der perfekte Mix, den Erik Lange jeden Tag erlebt. Im Interview spricht der Koordinator für Busnotverkehre über seinen Start im Projekt, wieso er sich für diesen Job entschieden hat und welche Herausforderungen das Berufsbild tagtäglich mit sich bringt.

Herr Lange, Sie haben eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb eines Busunternehmens abgeschlossen. Warum wollten sie dann Koordinator für Busnotverkehre werden?


Erik Lange: Ein Arbeitskollege, der bereits in der Eisenbahnerwelt gearbeitet hat, hatte von der Stellenausschreibung gehört und mir im Mai davon berichtet. Da ich bei meinem vorherigen Arbeitgeber nicht mehr zufrieden war, die Disposition und Planung von Busverkehr aber schon immer interessant fand und ich nach meiner Ausbildung leider nur im Fahrdienst eingesetzt wurde, habe ich mich für diese Stelle und die damit neuen Herausforderungen beworben. Während meiner Ausbildung konnte ich bereits tiefere Einblicke in die Organisation bekommen und auch praktische Erfahrung im Fahrdienst sammeln, was natürlich für diese Stelle des Koordinators enorm von Vorteil ist. Ich wollte schon immer „mehr bewegen” und nicht nur Bus fahren – und nun sitze ich hier.


Sie sind vom Fach und kennen die Busbranche – wie schätzen Sie die neue Initiative und die Idee hinter dem neuen Berufsbild ein?


Erik Lange: Die Kolleg/innen in der Leitstelle haben in akuten Störungsfällen mehr als genug damit zu tun, ihre Züge zu disponieren und das dazugehörige Personal zu navigieren. Dann ist mitunter schlicht und einfach nicht die Zeit da, nebenbei noch einen Busnotverkehr (BNV) auf die Beine zu stellen. Wir nehmen den Kolleginnen und Kollegen hier in der Leitstelle nun diese Arbeit ab.


Die neue Stelle wirkt sich demnach bereits positiv aus?


Erik Lange: Auf jeden Fall. Innerhalb unseres derzeitigen Korridors, der auch nach und nach erweitert werden soll, kümmern wir uns voll und ganz um die Busnotverkehre. Dies hat einen enormen Qualitätsgewinn für die Fahrgäste zur Folge: Es wird schneller oder überhaupt erst ein Busnotverkehr eingerichtet.


Nehmen wir an, es kommt zu einem akuten Störungsfall – was sind die nächsten Schritte bei Ihnen?


Erik Lange: Zunächst setze ich mich mit den Leitstellen-Disponenten der jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Verbindung, um zu überprüfen, ob ein Busnotverkehr überhaupt benötigt wird. Denn bis der erste Bus da ist, vergehen mindestens 30 bis 45 Minuten. Sollte die Störung voraussichtlich bis dahin behoben sein, schicken wir keinen Bus los. Wenn wir aber aktiv werden müssen, greifen wir auf eine Datenbank mit vielen Kontaktdaten von Busunternehmen zurück, erstellen eine sogenannte „Kampagne” und schicken über eine spezielle Software eine Anfrage für die im Umkreis der Störung liegenden Unternehmen raus. Im besten Fall können wir aus mehreren Rückmeldungen ein auf unsere Kriterien passendes Angebot auswählen.


Der Ablauf ist also digitalisiert?


Erik Lange: Nicht vollständig. Vor allem nachts ist es wichtig, dass auf den Endgeräten der Busunternehmen die Benachrichtigung über unsere Anfrage, die das Programm als Mail rausschickt, auf laut gestellt bleibt. Leider wissen aber nicht alle Unternehmen über uns Bescheid, weshalb dies nicht der Fall ist und wir dort anrufen und extra nachfragen müssen. Das Ziel ist allerdings, davon wegzukommen und stattdessen voll auf Digitalisierung zu setzen.


Gibt es weitere Herausforderungen, die Ihnen in den letzten vier Monaten begegnet sind?


Erik Lange: Die größte Herausforderung war der erste Busnotverkehr, den ich organisieren musste. In der Theorie konnte ich alles, trotzdem hatte ich einen kurzen Blackout – am Ende lief aber alles problemlos. Mittlerweile habe ich schon Erfahrungen gesammelt und Routine entwickelt. Innerhalb meines Arbeitsalltags stellen dann natürlich die Störungsfälle eine große Herausforderung dar. Das können durch Fahrgäste verursachte Zwischenfälle, Störungen an Fahrzeugen und der Infrastruktur sowie der allgemeine Sanierungsstau sein. Hinzu kommt der enorme Fachkräftemangel.


Wie macht sich das konkret bemerkbar?


Erik Lange: Wenn wir bei einem Busunternehmen anrufen, um einen BNV zu organisieren, bekommen wir öfter die Antwort, dass sie zwar Busse zur Verfügung stellen könnten, allerdings keine Fahrerinnen oder Fahrer. Auch wenn wir unseren Fahrgästen helfen möchten, trotz Störungsfall möglichst schnell an ihr Ziel zu kommen, sind uns bei Personalmangel Grenzen gesetzt. Manchmal denke ich mir, ich springe selbst schnell in einen Bus und fahre hin.


Sind Ihnen auch positive Erlebnisse in Erinnerungen geblieben?


Erik Lange: Hier ist kein Tag wie der andere – das liebe ich an diesem Job. Der SPNV stellt uns mit seinen zahlreichen Abläufen und Aufgaben tagtäglich vor zahlreiche Herausforderungen, da ist es besonders wichtig, dass wir als Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten – ganz gleich, welches Eisenbahnverkehrsunternehmen als Arbeitgeber im Arbeitsvertrag steht. Und das ist der Fall: Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben, der Umgang ist kollegial, es herrscht ein angenehmes Arbeitsklima und man arbeitet gern zusammen.


Was wünschen Sie sich denn für die Zukunft des Projektes?


Erik Lange: Ich wünsche mir eine rasche Erweiterung unseres Zuständigkeitsbereichs, damit mehr Fahrgäste von der verbesserten Qualität der Busnotverkehre profitieren können. Ich bin jedenfalls sehr glücklich darüber, ein Teil eines bis jetzt in Deutschland einmaligen Projektes sein zu dürfen!


Fokus Fahrgast

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 ergänzen sechs qualifizierte Koordinator/innen für Busnotverkehre das Team in der SPNV-Regiezentrale NRW. Die Organisation von unternehmensübergreifenden Busnotverkehren ist ein wichtiges Teilprojekt im Projekt Fokus Fahrgast. Wie die Nahverkehrsbahnen in NRW die zentrale Koordination ihrer Verkehrsleistungen in akuten Stör- und Notfällen umsetzen und zukünftig verbessern wollen, hat Alexander Golenia, Leiter des Teilprojekts, in einem früheren Interview bereits ausführlich erklärt. 

Zum Interview mit Alexander Golenia